Veraltete Daten in Lexikon

CO2-Konzentration in der Luft ist seit 1890 stark gestiegen

25.08.2022, 14:31 (CEST)

Immer wieder finden sich im Netz angebliche Beweise gegen den menschengemachten Klimawandel. Ein Lexikon-Eintrag aus dem Jahr 1890 ist dabei ein Dauerbrenner. Doch die Angaben darin sind veraltet.

Es ist wissenschaftlicher Konsens, dass sich das Klima auf der Erde erwärmt - das überzeugt aber nicht jeden. Um eine angebliche «Klimalüge» zu belegen, wird in den sozialen Netzwerken seit einiger Zeit ein Eintrag aus Meyers Konversations-Lexikon von 1890 als vermeintlicher Beweis herangezogen und verbreitet. Der Anteil von Kohlendioxid (CO2) in der Atmosphäre habe damals schon bei 0,04 Prozent gelegen, sei also genauso hoch gewesen wie heute, heißt es darin. Für Maßnahmen der Politik gebe es in Anbetracht der «0% Erhöhung» CO2-Konzentration in der Luft keine Notwendigkeit, steht dazu in den Bildern oder Beiträgen.

Bewertung

Die über 130 Jahre alte Angabe ist mit dem Fortschritt der Wissenschaft und viel präziseren Messmethoden schon seit Jahrzehnten überholt. Die CO2-Konzentration hat im Vergleich zur vorindustriellen Zeit dramatisch zugenommen.

Fakten

Schon Ende des 19. Jahrhunderts erkannten Naturwissenschaftler den Zusammenhang von Kohlendioxid (CO2) und Klimaveränderung. Der in Meyers Konversations-Lexikon von 1890 tatsächlich mit 0,04 Prozent angegebene CO2-Anteil in der Atmosphäre ist aus heutiger Sicht jedoch veraltet und auf die damals noch ungenauen Messmethoden zurückzuführen.

Wie ein Klimaforscher der Universität Bonn schon in einer Publikation von 1984 erläutert hat, finden sich in mehreren historischen Quellen für die Zeit um 1890 stark nach unten abweichende Ergebnisse von 290 bis 295 ppm. «Parts per million» (ppm) bedeutet hier Teile CO2 pro Million Luftteilchen. 0,04 Prozent wären demnach 400 ppm.

Im Jahr 2008 hatten Forscher der Universität Bern durch Eisbohrungen in der Antarktis herausgefunden, dass die Konzentration des für den Klimawandel mitverantwortlichen Treibhausgases CO2 heute wesentlich höher ist als jemals in den 800 000 Jahren zuvor. Die Schweizer Wissenschaftler haben die enge Verbindung von zunehmender Kohlendioxid-Konzentration und Klimawandel sowie des anthropogenen Treibhauseffektes damals bestätigt.

«Keeling Curve» macht CO2-Anstieg in der Luft sichtbar

Heutzutage liegt die CO2-Konzentration bei knapp 415 bis 420 ppm und damit auf dem höchsten Stand seit Millionen von Jahren. In den 1950er Jahren lag sie noch bei rund 317 ppm und in vorindustrieller Zeit (zwischen 1850 und 1900) laut dem Umweltbundesamt bei etwa 280 ppm. Auch einem Bericht der UN-Weltorganisation für Meteorologie von Oktober 2021 zufolge lag die CO2-Konzentration im Jahr 2020 bei 413,2 ppm und damit bei 149 Prozent des vorindustriellen Niveaus.

Die US-Klimabehörde NOAA und ihr auf Hawaii stationiertes Observatorium Mauna Loa liefern aktuelle Kohlendioxid-Messwerte. Demnach belief sich die durchschnittliche CO2-Konzentration in der Atmosphäre im Juli 2022 an der Messstelle auf 418,90 ppm.

Beiträge mit dem Lexikon-Auszug kursieren unterdessen immer wieder in den sozialen Netzwerken. Bereits 2019 hatte sich die dpa in einem Faktencheck mit einem Post beschäftigt.

(Stand: 24.8.2022)

Links

Lexikon-Artikel von 1890

Publikation der Uni Bonn von 1984 (archiviert)

Artikel in «Nature» zur Eiskern-Analyse (archiviert)

Umweltbundesamt über den anthropogenen Treibhauseffekt (archiviert)

Keeling-Kurve von 1960 bis heute (archiviert)

ORF-Artikel über CO2-Rekordwert (archiviert)

Deutsches Umweltbundesamt zu Kohlendioxid-Konzentration in vorindustrieller Zeit (archiviert)

ORF-Artikel über Zeitrahmen der vorindustriellen Zeit (archiviert)

Bericht der UN-Weltorganisation für Meteorologie (archiviert)

aktuelle Messdaten vom Mauna Loa Observatory auf Hawaii (archiviert)

dpa-Faktencheck vom 6. September 2019

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