Historisches Foto

Niedrigwasser der Elbe von 1904 widerlegt die Klimaerwärmung nicht

19.08.2022, 13:54 (CEST)

Extreme Wetterlagen hat es auch in der Vergangenheit gegeben. Dennoch ist das kein Grund, die Klimaerwärmung anzuzweifeln. Zu einem Foto der Elbe in Dresden aus dem Jahr 1904 fehlt wichtiger Kontext.

Es ist längst wissenschaftlicher Konsens, dass sich das Klima auf der Erde erwärmt. Dennoch kursieren in den sozialen Netzwerken immer wieder angebliche Beweise, die das Gegenteil belegen sollen. Aktuell wird auf Facebook (archiviert) ein historisches Foto verbreitet, dass die Elbe in Dresden im Jahr 1903 zeigen soll. Menschen stehen in einem ausgetrockneten Flussbett vor einer Brücke. Daneben steht: «Schon krass dieser Klimawandel» (Zeichensetzung wie im Original). Es wird der Eindruck erweckt, dass extreme Trockenheit nichts mit der Klimaerwärmung zu tun habe, da es schon vor über 100 Jahren ähnliche Wetterlagen gab.

Bewertung

Das Foto ist echt - es zeigt die ausgetrocknete Elbe jedoch im Sommer 1904. Zudem fehlt wichtiger Kontext: Zwar hat es extreme Wetterereignisse wie lang anhaltende Trockenheit, Starkregen oder Hochwasser schon vor über 100 Jahren gegeben. Bestimmte Wetterlagen werden laut Prognosen durch die Klimaerwärmung aber immer häufiger und intensiver auftreten. Ein einzelnes Wetterereignis kann verschiedene Ursachen haben und ist kein Grund, den Klimawandel infrage zu stellen.

Fakten

Eine Bilderrückwärtssuche mit Google führt zu mehreren Berichten der «Sächsischen Zeitung» über das historische Niedrigwasser der Elbe in Dresden im Sommer 1904. Das Bild aus dem Sharepic ist unter anderem in einem Bericht vom 5. August 2015 zu finden. Es stammt laut dem Fotonachweis aus der Sammlung von Archivar Holger Naumann. Bei der Brücke, die im Hintergrund zu sehen ist, handelt es sich demnach um die Augustusbrücke in Dresden.

Wie die «Sächsische Zeitung» berichtete, waren fehlende Niederschläge seit Mai 1904 und zugleich hohe Temperaturen die Ursache für die gesunkenen Wasserstände. Die Stadt Dresden nutzte demnach die Dürre im Jahr 1904 - nicht 1903 -, um das Flussbett auszubaggern und Brücken auszubessern. Zudem lockte das Wetterereignis Schaulustige an, die im Flussbett nach Wertsachen suchten oder unter der Brücke Karten spielten.

Es gibt historische Berichte über die damalige Situation an der Elbe. Ein Sprecher der Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG) bestätigte den Faktenprüfern von «Correctiv» und AFP, dass das Niedrigwasser 1904 tatsächlich aus einer sommerlichen Trockenheit sowie den damals noch fehlenden Wassereinflüssen von Talsperren resultierte. Grundsätzlich könne damals wie heute Niedrigwasser in einzelnen Gebieten das Ergebnis mehrerer sich überlagernder sowie regional unterschiedlicher Faktoren sein, erklärte der Experte.

Unterschied zwischen Wetter und Klima

Der Deutsche Wetterdienst (DWD) erklärt auf seiner Website den Unterschied zwischen Wetter und Klima. Wetter bezieht sich dabei auf ein Ereignis an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit, während Klima sich mit den Wetterereignissen über einen längeren Zeitraum mitunter auf einem größeren Gebiet befasst. Das Problem des Sharepics auf Facebook ist, dass die Zusammenhänge verkürzt werden. In dem geteilten Bild wird anhand eines einzelnen Wetterereignisses versucht, die Klimaerwärmung zu widerlegen.

Laut dem Umweltbundesamt können einzelne Extremwetterereignisse nicht einfach und direkt der anthropogenen - also menschengemachten - ⁠Klimaveränderung⁠ zugeordnet werden. Denn entsprechende Wetterlagen können bei bestimmten Faktoren auf natürliche Weise entstehen. Treten hingegen Extremwetterereignisse über einen bestimmten Zeitraum häufiger auf, kann dies ein Nachweis dafür sein, dass sich das Klima verändert hat.

Niedrigwasser ist grundsätzlich eine natürliche Folge von Wetterereignissen und somit von Witterung und Jahreszeit geprägt. Insbesondere längere Trockenperioden können zu niedrigen Wasserständen in Flüssen führen. Die Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren weist darauf hin, dass der Klimawandel nie die einzige Ursache eines Extremereignisses ist. Zudem nehme im Zuge der globalen Erwärmung nicht jedes mögliche Extremwetterereignis zu, sondern nur bestimmte.

Laut DWD ist von 1881 bis 2021 das Jahresmittel der Lufttemperatur in Deutschland gesichert um 1,6 Grad gestiegen. Auch markante Hitzeperioden oder Trockentage, vor allem im Sommer, haben demnach zugenommen. Dies wirkt sich wiederum auf die Wasserkreisläufe aus - beispielsweise bei der Verdunstung von Wasser - und kann in der Folge jene Niedrigwasserereignisse begünstigen. Auch nach Angaben der Helmholtz-Klima-Initiative werden Hitze- und Dürrephasen in Zukunft wahrscheinlicher.

Prognosen: Klimawandel könnte zu mehr Niedrigwasserereignissen führen

Das Umweltbundesamt gibt in seiner «Klimawirkungs- und Risikoanalyse 2021 für Deutschland» eine Prognose ab. So hätten mehrere Forschungsprojekte Hinweise geliefert, dass Niedrigwassersituationen unter den Bedingungen des zukünftigen Klimawandels häufiger und intensiver werden könnten, heißt es darin. Laut einer Analyse des Bundesverkehrsministeriums aus dem Jahr 2020 werden Niedrigwasserereignisse dort intensiver, «wo schon heute Sommer und Herbst die typische Niedrigwassersaison bilden».

Die Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG) schreibt in einem Hinweisblatt mit Antworten auf häufig gestellte Fragen, dass die aktuelle Häufung von Niedrigwassersituationen noch zur «natürlichen Variabilität» gehöre. Bis zur Mitte des 21. Jahrhunderts seien zudem noch keine wesentlichen Änderungen im Niedrigwasser-Abflussverhalten zu erwarten. Allerdings zeige sich bereits eine Verstärkung der Niedrigwasserereignisse durch vom Klimawandel erhöhte Verdunstung und damit einhergehenden Wasserverlusten in allen Jahreszeiten. In der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts ist laut BfG an den meisten betrachteten Pegeln mit einer deutlichen Zunahme von Niedrigwassersituationen zu rechnen.

(Stand: 19.8.2022)

Links

Bericht der «Sächsischen Zeitung» vom 5. August 2015 (archiviert)

Augustusbrücke in Dresden auf Google Maps (archiviert)

Historischer Bericht aus «Der sächsische Erzähler»

Faktencheck von «Correctiv» (archiviert)

Faktencheck von AFP (archiviert)

Deutscher Wetterdienst über den Begriff Wetter (archiviert)

Deutscher Wetterdienst über den Begriff Klima (archiviert)

Umweltbundesamt zum Unterschied zwischen Klimawandel und Einzelereignis (archiviert)

Umweltbundesamt über Niedrigwasser (archiviert)

Helmholtz-Klima-Initiative über Zusammenhang von Extremwetter und Klimawandel (archiviert)

Deutscher Wetterdienst über Klimaveränderung in Deutschland (archiviert)

Umweltbundesamt: «Klimawirkungs- und Risikoanalyse 2021 für Deutschland» (archiviert)

Verkehrsministerium zur Auswirkung des Klimawandels auf Verkehr und Infrastruktur (archiviert)

BfG-Hinweisblatt zu Niedrigwasserereignissen (archiviert)

Beitrag auf Facebook (archiviert)

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