Impfsicherheit

Niederlande: Untersuchung zu Übersterblichkeit mangelhaft

18.08.2022, 12:25 (CEST)

Unter Berufung auf eine niederländische Studie wird im Netz behauptet, mit steigender Impfquote steige auch die Todesrate in der Bevölkerung. Doch das ist falsch, und die Studie wenig aussagekräftig.

Obwohl wissenschaftliche Studien das Gegenteil zeigen, behaupten Verschwörungstheoretiker und Impfgegner immer wieder, dass es bei Impfungen gegen das Coronavirus massenhaft zu erheblichen Nebenwirkungen kommt. Nun wird auf Facebook ein Artikel geteilt, der behauptet «Je mehr Impfungen, desto höher die Todesrate.» Der vermeintliche Beweis sei eine Studie aus den Niederlanden.        

Bewertung

Der zitierte Text belegt keine höhere Sterblichkeit nach einer Covid-19 Impfung und ist wenig aussagekräftig. Insgesamt ist die wissenschaftliche Qualität der Arbeit fragwürdig. Offizielle Daten der niederländischen Statistik- und Gesundheitsbehörden kamen zu dem Ergebnis, dass die Impfung das Todesrisiko durch Covid-19 verringert und das Sterberisiko aus anderen Gründen nicht erhöht.           

Fakten

Auf der Plattform Researchgate, wo die im Artikel zitierte Untersuchung zu finden ist, teilen zwar viele Wissenschaftler ihre Forschungsergebnisse, aber auch völlig fachfremde Menschen können dort Texte ungeprüft veröffentlichen. Der Autor hat, soweit ersichtlich, keine Fachkompetenz im Bereich Medizin oder öffentliche Gesundheit. Auf LinkedIn beschreibt er sich als Programmierer von Smartphone- und Desktop-Apps. Bei der in der Studie genannten Organisation «Rodotti» handelt es sich nicht etwa um eine Forschungseinrichtung, sondern um die Firma des Autors. Auf deren Webseite wird für eine Smartphone App geworben, die elektrischen Rollern einen Motorensound verleihen soll. 

Es handelt sich bei der Untersuchung also vermutlich um eine Selbstveröffentlichung. Sie wurde nicht in einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift veröffentlicht und dementsprechend auch nicht dem bei derartigen Studien üblichen Peer-Review-Verfahren unterzogen. Der Peer-Review ist eine wichtige Methode zur Qualitätssicherung von wissenschaftlichen Arbeiten, bei dem unabhängige Gutachter aus dem gleichen Fachgebiet die Arbeit begutachten.

Dies kritisiert auch der klinische Pharmakologe Eugène van Puijenbroek. Er forscht an der Universität Groningen zu Arzneimittelsicherheit. «Ein Peer-Review-Verfahren ist notwendig, um sicherzustellen, dass die angewandte Methode angemessen ist und die Schlussfolgerungen gültig sind. Dieser Schritt hat noch nicht stattgefunden, oder es ist nicht klar, wo dieses Paper veröffentlicht wurde», so der Experte.

Auch sonst hält er den Text für wenig aussagekräftig. «Der Anstieg der Sterblichkeitsraten kann verschiedene Ursachen haben, die in dieser Arbeit jedoch nicht näher erläutert werden - eine Frage, die offen bleibt.» Eine Korrelation mit der Sterblichkeit bedeute auch nicht unbedingt einen kausalen Zusammenhang. Trotzdem unterstellt der Titel des Artikels von Uncut News, «Je mehr Impfungen, desto höher die Todesrat», eben eine Kausalität.

Der Autor der Untersuchung schreibt: "Wir haben die für einen wirksamen Impfstoff erwartete negative Korrelation zwischen Sterblichkeit und Impfung nicht beobachtet." Gemeint ist, dass unter den geimpften Menschen nicht weniger gestorben sind. So einen Schluss könne man aber nicht ziehen, ohne die Todesart zu kennen, so van Puijenbroek.

Der Versuch, einen vermeintlichen Zusammmenhang zwischen hoher Impfquote und Übersterblichkeit herzustellen ist nicht neu, wie vorherige Faktenchecks der DPA zeigen.    

Auch der Autor selbst erklärt, dass seine Untersuchung «viele Mängel» habe. So erfasse das einfache lineare Modell keine nichtlinearen Effekte oder uneinheitliche Populationen. Der Ansatz sei außerdem kohortenlos, obwohl die Erkrankung mit Covid-19 und die Wirksamkeit der Impfstoffe stark altersabhängig sei. Die Studie berücksichtigt also keine Faktoren wie Alter oder eventuelle Vorerkrankungen.

Auch die Tatsache, dass vermutlich bestimmte Bevölkerungsgruppen besonders viel geimpft wurden, weil sie auch besonders gefährdet waren, wird nicht berücksichtigt. Außerdem gibt es keine Kontrollgruppe, es ist also gar kein Vergleich zwischen ungeimpften und geimpften Personen möglich.

Eine im Juni veröffentlichte Studie des niederländischen Gesundheitsministeriums und des Amtes für Statistik fand keine Hinweise darauf, dass das Sterberisiko auf Bevölkerungsebene nach einer ersten, zweiten oder Auffrischungsdosis des Covid-19-Impfstoffs erhöht war. Auch dem Robert Koch-Institut zufolge wurden bisher keine Belege gefunden, die einen kausalen Zusammenhang zwischen Impfungen und Todesfällen erkennen lassen. Auch andere Studien kommen zu dem Ergebnis, dass die Impfstoffe sicher sind. 

Stand: 16.8.2022

Links

Facebook-Eintrag (archiviert)

Uncut News-Artikel(archiviert

Studie des Gesundheitsministeriums (archiviert)

Webseite des Robert Koch-Insituts zu Impfsicherheit (archiviert)

Studie zur Sicherheit von mRNA-Impfstoffen (archiviert)

Zitierte Untersuchung (archiviert)

LinkedIn Profil des Autors

Rodotti Webseite (archiviert)

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