Kein Verkauf an US-Firmen

Ukraine behält Kontrolle über landwirtschaftliche Flächen

15.08.2022, 11:19 (CEST), letztes Update: 29.08.2022, 09:13 (CEST)

Eine weit verbreitete Falschbehauptung hat Deutschland erreicht: Angeblich hätte die Ukraine große Teile ihrer Agrarflächen an US-Firmen verkauft. Das stimmt nicht - und ist rechtlich gar nicht möglich.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj soll immer wieder mithilfe von Desinformation diskreditiert werden. Eine Behauptung, die in anderen europäischen Ländern seit Monaten kursiert, ist nun in Deutschland angekommen: Angeblich hätte Selenskyj 17 Millionen Hektar der ukrainischen Agrarflächen an mehrere große multinationale US-Konzerne verkauft. Dabei handele es sich angeblich um Cargill, Dupont und Monsanto.

Der Vorwurf wird über Blogbeiträge, Facebook-Posts und in Videos bei Tiktok und Whatsapp verbreitet. Laut diesen Beiträgen seien die angeblichen Käufe unter anderem «innerhalb der vergangenen zwölf Monate» über den Tisch gegangen oder sie würden sich auf ein Gesetz zur «Deregulierung des ukrainischen Bodenmarktes» beziehen.

Bewertung

Es gibt keine Hinweise darauf, dass die erwähnten Firmen Ackerland in der Ukraine gekauft haben. Der Verkauf von Agrarflächen an ausländische Investoren ist nach einer Reform des ukrainischen Bodenmarktes aus dem Jahr 2021 rechtlich gar nicht möglich. Um auch ausländische Investoren in der Ukraine den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen zu erlauben, müssten die Bürgerinnen und Bürger einer solchen Änderung der Gesetzeslage per Referendum zustimmen.

Fakten

Am 1. Juli 2021 ist der Ukraine ein neues Gesetz in Kraft getreten, dass sich auf den Verkauf von Agrarland bezieht. Die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) hat die Reformprozesse in einem Artikel beleuchtet. Zuvor war die Veräußerung von landwirtschaftlichen Flächen in der Ukraine verboten - egal ob in staatlichem oder privatem Besitz. Auch eine Änderung der Nutzungsart der Fläche war untersagt.

Mit dem neuen Gesetz wurde demnach eine schrittweise Öffnung des Bodenmarktes für landwirtschaftliche Flächen beschlossen. Diese bezieht sich jedoch nur auf jene Flächen in privatem Besitz. So kann seit dem 1. Juli 2021 bis zum 31. Dezember 2023 der Verkauf von landwirtschaftlichen Flächen nur zwischen ukrainischen Bürgern erfolgen. Pro Person können maximal 100 Hektar Fläche erworben werden.

Ein zweiter Schritt erfolgt ab dem 1. Januar 2024: Neben natürlichen Personen können dann auch sogenannte juristische Personen wie etwa Unternehmen Land erwerben, sofern diese nach ukrainischem Recht gegründet und registriert sind und deren Teilnehmer (Aktionäre, Mitglieder) nur Bürger der Ukraine sind. Maximal können dann 10 000 Hektar Fläche gekauft werden.

Umfrage: 84,1 Prozent der Befragten lehnen Flächenverkauf an Ausländer ab

Für eine dritte Öffnungsphase, die den Erwerb von Grundstücken auch für ausländische Investoren ermöglichen würde, müssen die Ukrainer per Referendum einer entsprechenden Gesetzesänderung zustimmen. Ob und wann ein solches Referendum stattfinden soll, ist unklar. In einer im Juni 2021 durchgeführten Umfrage sprachen sich jedoch bereits 84,1 Prozent der Befragten gegen einen Verkauf an Ausländer aus.

Aus rechtlicher Sicht ist es daher gar nicht möglich, dass US-Firmen Agrarflächen in der Ukraine aufgekauft haben. Auch auf den Webseiten sowie in den jüngsten Geschäftsberichten von Cargill, DuPont und dem deutschen Konzern Bayer (der 2018 Monsanto übernahm), lassen sich keine Hinweise auf eine Übernahme ukrainischer Ackerflächen finden.

(Stand: 12.8.2022)

Links

Blogbeitrag (archiviert)

Tiktok-Video (archiviert)

Gesetzesänderung zum Verkauf landwirtschaftlicher Flächen in der Ukraine (archiviert)

bpb-Artikel über die Gesetzesänderung zum Bodenmarkt (archiviert)

Umfrage in der Ukraine vom Juni 2021 (archiviert)

«Cargill»-Geschäftsbericht 2022 (archiviert)

«DuPont»-Geschäftsbericht 2021 (archiviert)

«Bayer»-Geschäftsbericht 2021 (archiviert)

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