Irreführendes Video

CO2-Messgerät ungeeignet für Atemluft-Messung unter der Maske

11.08.2022, 17:35 (CEST)

Manch einer empfindet ihn als lästig, schaden kann ein Mundschutz gesunden Menschen aber nicht. Eine Messung mit einem CO2-Sensor soll nun das Gegenteil beweisen - doch das Gerät wurde falsch verwendet.

Das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes kann dazu beitragen, das Corona-Ansteckungsrisiko zu senken. Doch in sozialen Medien verbreitet sich, dass dies angeblich der Gesundheit schaden solle. Der Grund: Unter den Masken sammle sich angeblich zu viel Kohlendioxid (CO2). Als Beleg wird etwa auf Facebook ein Video verbreitet, in dem die Luft unter einer chirurgischen Maske beim Atmen mit einem «CO2-Sensor» analysiert wird. Bei stundenlangem Arbeiten mit der Maske habe man eine CO2-Konzentration von mehr als 10 000 ppm, das zehnfache der maximal erlaubten Arbeitsplatzkonzentration - «ob das gesund ist, sei dahingestellt», heißt es am Ende des Videos. Beweist eine solche Messung tatsächlich mögliche Gesundheitsschäden?

Bewertung

Die Messung in dem Video ist irreführend, denn das Gerät ist nicht für diesen Zweck gemacht. Das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung ist für gesunde Menschen grundsätzlich unbedenklich. Es führt nicht dazu, dass sie eine gesundheitsgefährdende Menge an Kohlendioxid einatmen.

Fakten

Im Video wird ein CO2-Messgerät verwendet, das für die Analyse der Raumluft konzipiert ist. Solche Geräte sind auf normale Umgebungswerte geeicht. Versucht man, die Luft unter einer Maske mit einem einfachen Modell dieser Art zu analysieren, werden die Ergebnisse verfälscht, erklärt Professor Uwe Pliquett vom Institut für Bioprozess- und Analysenmesstechnik der Deutschen Presse-Agentur auf Anfrage.

Der Kohlendioxid-Gehalt in der Luft wird meist mittels Infrarot-Sensoren (IR) gemessen. Einfache IR-Sensoren sind laut Pliquett auf einen Luftdruck von 1 Bar, Raumtemperatur und eine mittlere Feuchte kalibriert.

Das Milieu unter der Maske wird aber erheblich durch den Atemprozess bestimmt. Wesentlichen Einfluss auf die Messung hat dabei die Ausatemluft mit einem so hohen CO2-Spiegel, dass jedes Raumluft-Gerät sofort Alarm schlägt, wie Pliquett erklärt. Hinzu komme der höhere Druck, der den angezeigten Wert um 10 bis 20 Prozent steigen lasse. Die Luft unter der Maske ist zudem nur ein kleiner Teil eines durchschnittlichen Atemzugs - die meiste Luft kommt von außen.

Experten sehen die Befürchtung, dass sich unter Masken zu viel CO2 sammle, grundsätzlich als unbegründet an. Nach Angaben der Deutschen Atemwegsliga sei bei einem einfachen chirurgischen Mundschutz oder einer selbst hergestellten Mund-Nasen-Bedeckung ein Anstieg des Kohlendioxids unwahrscheinlich - weil diese Masken nicht völlig dicht seien. Lediglich bei Patienten mit chronischer Atemschwäche könnten der Kohlendioxidanteil und die «Atemarbeit» ansteigen, «so dass die Bedeckung von Mund und Nase als unangenehm oder bedrohlich und subjektiv als Atemnot empfunden wird».

Auch bei Feinstaubmasken (FFP2, FFP3) seien bedrohliche Anstiege des CO2-Gehalts im Blut wegen Masken «unwahrscheinlich». Diese hätten aber einen «erheblichen Atemwiderstand». Man brauche also mehr Kraft für die Atmung. Das könne bei kranken Patienten zu «erheblicher Atemnot» führen. Der Anteil des Kohlendioxids im Blut könne ansteigen. «In der Praxis werden die Betroffenen jedoch rechtzeitig die Maske absetzen», hieß es auf der Website der Deutschen Atemwegsliga.

Die Angaben bei der Atemwegsliga sind nur noch auf einer Archiv-Version der Webseite einsehbar, weil die Informationsseite aus 2020 aktualisiert wurde. Seitdem sind allerdings noch weitere Untersuchungen erschienen, die gesundheitliche Auswirkungen des Mund-Nasen-Schutz untersucht haben.

Eine Untersuchung des Instituts für Prävention und Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung kam zu dem Ergebnis: «Unter den gewählten Bedingungen wurden keine klinisch relevanten Auffälligkeiten beobachtet und alle Teilnehmenden konnten die Studie ohne gesundheitliche Probleme beenden.» An der Bergischen Universität Wuppertal kamen Forschende zu dem Ergebnis: «Es zeigten sich keine Einschränkung der körperlichen Ausdauerleistungsfähigkeit - trotz des durch den höheren Atemwiderstand subjektiv unangenehmen Empfindens beim Tragen der Maske.»

Ähnliche Videos von irreführenden CO2-Messungen hat die Deutsche Presse-Agentur bereits 2020 einem Faktencheck unterzogen. Sie kursierten auch im englischsprachigen Raum. Verschiedene Faktenchecks haben die Aussagen darin bereits als Falschbehauptungen eingestuft.

(Stand: 10.8.2022)

Links

Institut für Bioprozess- und Analysenmesstechnik

Mitteilung Atemwegsliga (archiviert)

Untersuchung des Instituts für Prävention und Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (archiviert)

Untersuchung der Universität Wuppertal (archiviert)

dpa-Faktencheck «CO2-Messgerät kann keinen Sauerstoffmangel durch Masken belegen»

Faktencheck 1 (archiviert)

Faktencheck 2 (archiviert)

Facebook-Beitrag mit Video (archiviert)

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