Falsche Ferndiagnose

Keine Affenpocken: Mann auf dem Foto hat seltene chronische Krankheit

09.08.2022, 15:52 (CEST)

Eine vermeintlich mit Affenpocken infizierte Person fährt in Madrid U-Bahn. Davon macht ein anderer Fahrgast ein Bild, postet es - und viele Medien berichten. Dann meldet sich der Betroffene bei einer Zeitung und klärt das Ganze auf.

Ein Mann mit vielen Pusteln auf einem Bein. Jemand meint, er könne eine Ferndiagnose vornehmen und stellt den Mann mit einem Foto digital an den Pranger. Er ist davon überzeugt, der Betroffene führe in der infektiösen Phase einer Affenpocken-Erkrankung U-Bahn. Doch das ist eine falsche Vermutung.

Bewertung

Der Mann auf dem Foto hat nach eigener Aussage Neurofibromatose. Das sagte er einer spanischen Zeitung. Ein Symptom dieser nicht ansteckenden Krankheit sind Hautveränderung in Form von kleinen Tumoren (Neurofibrome) auf oder unter der Haut.

Fakten

Das Foto mit der Affenpocken-Behauptung wurde ursprünglich auf Twitter verbreitet. Nachdem spanische Medien über den Fall berichtet hatten, meldete sich offenbar der Betroffene bei der Zeitung «20minutos». Er habe keine Affenpocken, sondern Neurofibromatose, stellte er gegenüber der Zeitung klar. An seinen Nerven wüchsen Tumoren; das sei nicht ansteckend. Viele Menschen sprächen ihn auf seinen Gesundheitszustand an.

Neurofibromatose ist eine seltene chronische Erkrankung, bei der sich gutartige Tumoren unter oder auf der Haut im Bereich oder entlang von Nerven bilden. Experten schätzen, dass in Deutschland bis zu 40 000 Menschen betroffen sind, so der Bundesverband Neurofibromatose.

Wer hat das Foto gemacht?

Das Bild wurde von einem Mann gepostet, der laut seinen Angaben bei Twitter Arzt ist. Er hat in mehreren Posts erklärt, wie er die Situation in der U-Bahn einschätzte. Sein Profil ist mittlerweile auf privat gestellt, der Thread kann aber weiterhin im Internet-Archiv aufgerufen werden.

Er sei zu dem Mann in der U-Bahn in Madrid hingegangen und habe ihn darauf hingewiesen, dass man mit Affenpocken zu Hause bleiben solle, schrieb er . Dieser habe darauf angeblich geantwortet: Sein Arzt habe ihm nicht gesagt, dass er zu Hause bleiben, sondern nur eine Maske tragen solle. Der Betroffene sagte dagegen der Zeitung «20minutos», dass es die auf Twitter geschilderte Begegnung nie gegeben habe. Er sei verärgert über die Anschuldigungen.

Falsche Zuweisung ist kein Einzelfall

In New York scheint es einen ähnlichen Fall gegeben zu haben. Eine junge Frau wurde ohne ihr Einverständnis in der U-Bahn gefilmt. Das Video wurde später in bei Tiktok verbreitet - mit der Unterstellung, dass sie Affenpocken habe. Auch sie habe Neurofibromatose, schreibt die «New York Times», die über den Fall berichtete.

Was sind Affenpocken?

Affenpocken sind eine Krankheit, die durch das Affenpockenvirus verursacht wird, so die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Sie kann von Tieren auf Menschen übertragen werden, aber auch von Mensch zu Mensch. Die häufigsten Symptome sind etwa Fieber, Kopf- und Muskelschmerzen sowie geschwollene Lymphknoten. Anschließend oder begleitend dazu entwickelt sich ein Ausschlag. Affenpocken können etwa durch engen Kontakt mit einer Person übertragen werden.

Die WHO hat den Ausbruch von Affenpocken in mehreren Ländern am 23. Juli 2022 zu einer gesundheitlichen Notlage internationaler Tragweite erklärt. Das ist die höchste Alarmstufe im Bereich der öffentlichen Gesundheit und kann laut WHO-Aussage die Koordinierung, Zusammenarbeit und globale Solidarität verbessern.

(Stand: 9.8.2022)

Links

Tweet des spanischen Arztes, archiviert

«20minutos»-Artikel zu Aussagen des spanischen Arztes (archiviert)

«20minutos»-Artikel mit Reaktion des Betroffenen (archiviert)

Bundesverband Neurofibromatose zur Erkrankung (archiviert)

«New York Times» zu weiterem vermeintlichen Affenpocken-Fall (archiviert)

WHO zu Affenpocken (archiviert)

Facebook-Post (archiviert)

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