Manipuliertes Dokument

Staatenlose Menschen erhalten in Deutschland keinen Personalausweis

10.08.2022, 14:14 (CEST)

«Reichsbürger» erkennen die Bundesrepublik nicht als legitimen Staat an. Das wollen sie mit einem Gesetzesartikel belegen. Aber: Der gilt in Deutschland überhaupt nicht.

Sogenannte Reichsbürger, Souveränisten und Selbstverwalter leugnen die Souveränität der Bundesrepublik Deutschland (BRD). Die Anhänger dieses Verschwörungsnarrativs behaupten, dass die BRD kein rechtmäßiger Staat sei. Ein Foto, das in verschiedenen Versionen verbreitet wird, soll ein angeblicher Beweis dafür sein.

Die Bilder zeigen jeweils einen vermeintlichen Ausschnitt aus einem Bundesgesetzblatt von 1976. Demnnach werde jedem Staatenlosen in Deutschland ein Personalausweis ausgestellt. Darunter steht zudem der Hinweis, dass Personalausweise angeblich gar nur an Staatenlose ausgegeben würden.

Bewertung

Die Behauptung ist falsch, und das Bild ist offenbar manipuliert worden. Im entsprechenden Bundesgesetzblatt wird darauf hingewiesen, dass der Artikel 27 der internationalen Übereinkunft der Vereinten Nationen in Deutschland keine Anwendung findet. Personalausweise werden in Deutschland also nicht an Staatenlose ausgestellt - und damit natürlich erst recht nicht ausschließlich an sie.

Fakten

Das Bundesgesetzblatt Teil II, Nummer 22 vom 22. Apil 1976 ist auf der Webseite des Bundesanzeiger-Verlags online einsehbar. In dem Dokument geht es tatsächlich um das «Gesetz zu dem Übereinkommen vom 28. September 1954 über die Rechtsstellung der Staatenlosen» vom 12. April 1976. Schon beim ersten Überfliegen erkennt man jedoch: Es gibt im Bundesgesetzblatt keine Seite, die exakt so aussieht wie die auf dem geteilten Foto.

Wie in dem Dokument nachzulesen ist, hat der Bundestag damals dem internationalen Übereinkommen der Vereinten Nationen (UN) über die Rechtsstellung der Staatenlosen zugestimmt und es in das deutsche Recht aufgenommen - allerdings nur unter bestimmten Bedingungen: In Artikel 1, Nummer 2 des Gesetzes ist festgehalten, dass der Artikel 27 des Übereinkommens in Deutschland nicht zur Anwendung kommt. Und das ist eben jener, in dem es um das Ausstellen von Personalausweisen für Staatenlose geht.

Auf den folgenden Seiten des Bundesgesetzblatts von 1976 sind sämtliche Artikel des Übereinkommens abgedruckt worden. Der Wortlaut des Artikels 27 - der in Deutschland nicht angewandt wird - stimmt mit dem auf dem Foto größtenteils überein. Die angebliche «Information», dass Personalausweise nur an Staatenlose ausgegeben würden, ist dort jedoch nicht zu finden - und auch nicht auf einer der anderen Seiten des Bundesgesetzblattes. Die geteilten Fotos zeigen also ein manipuliertes Dokument.

Dieses kursiert unter anderem auch in einem Telegram-Kanal der sogenannten Reichsbürgerbewegung. Außerdem ist es auf der Webseite «staatenlos.info» zu finden. Dort gibt es laut Verfassungsschutz «eine schier unüberschaubare Anzahl von Dokumenten mit szenetypischen Inhalten» der «Reichsbürger»-Verschwörungsbewegung.

(Stand: 10.8.2022)

Links

bpb-Artikel in APuZ über die Reichsbürgerbewegung (archiviert)

Bundesgesetzblatt Teil II, Nummer 22 vom 22. April 1976

Vereinte Nationen - «Übereinkommen über die Rechtsstellung von Staatenlosen vom 28. September 1954» (archiviert)

archivierter Telegram-Beitrag

Dokument auf der Seite «staatenlos.info» - archiviert

Verfassungsschutz-Broschüre über «staatenlos.info» (archiviert)

Facebook-Post 1 (archiviert)

Facebook-Post 2 (archiviert)

Über dpa-Faktenchecks

Dieser Faktencheck wurde im Rahmen des Facebook/Meta-Programms für unabhängige Faktenprüfung erstellt. Ausführliche Informationen zu diesem Programm finden Sie hier.

Erläuterungen von Facebook/Meta zum Umgang mit Konten, die Falschinformationen verbreiten, finden Sie hier.

Wenn Sie inhaltliche Einwände oder Anmerkungen haben, schicken Sie diese bitte mit einem Link zu dem betroffenen Facebook-Post an faktencheck@dpa.com. Nutzen Sie hierfür bitte die entsprechenden Vorlagen. Hinweise zu Einsprüchen finden Sie hier.

Schon gewusst?

Wenn Sie Zweifel an einer Nachricht, einer Behauptung, einem Bild oder einem Video haben, können Sie den dpa-Faktencheck auch per WhatsApp kontaktieren. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.