Russische Invasion

Die Ukraine plant keine Zwangsrekrutierungen

21.7.2022, 11:41 (CEST)

Im Kampf gegen die russischen Invasoren sind die ukrainischen Verteidiger zahlenmäßig weit unterlegen. Zwangsrekrutierungen unerfahrener Soldaten plant Kiew jedoch nicht.

Mit Blick auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine kursieren online zahlreiche Falschbehauptungen. Auf Facebook heißt es, der ukrainische Präsident Selenskyj plane die Mobilisierung von einer Million Soldaten, um besetzte Gebiete zurückzuerobern (archiviert). Der Tod von hunderttausenden «zwangsrekrutierten» Männern werde  dadurch billigend in Kauf genommen». Was hat es mit der Zahl wirklich auf sich, und gibt es in der Ukraine Zwangsrekrutierungen?         

Bewertung

Dass die Ukraine mit einer Million Soldaten den Süden das Landes befreien will, ist nicht belegt. In einem Interview sagte der ukrainische Verteidigungsminister lediglich, das Land verfüge insgesamt über rund eine Million Menschen, um die Ukraine zu verteidigen. Auf Zwangsrekrutierungen gibt es keine Hinweise.           

Fakten

In einem Interview mit der britischen Tageszeitung «The Times» vom 10. Juli 2022 sagte der ukrainische Verteidigungsminister Oleksij Resnikow: «Wir haben etwa 700 000 Angehörige der Streitkräfte, und wenn man die Nationalgarde, die Polizei und den Grenzschutz dazuzählt, sind wir etwa eine Million stark.» Aus dem Text geht nicht hervor, dass Resnikow sich dabei auf Pläne zur Befreiung des Südens bezog. Wahrscheinlicher erscheint es, dass er damit die gesamte Truppenstärke meinte. Dennoch schrieb die «Times» in ihrer Überschrift: «Ukraine hat eine Million Menschen für den Kampf um die Rückeroberung des Südens bereit».

Auch vorherige Aussagen Resnikows bezogen sich auf die gesamte Truppenstärke. Laut einem am 8. Juli veröffentlichten Artikel der staatlichen Nachrichtenagentur Ukrinform, hatte sich Resnikow zuvor bereits ähnlich geäußert. Demnach sagte er bei einer Konferenz: «Bis heute sind bis zu 700 000 Soldaten der ukrainischen Streitkräfte, bis zu 90 000 Angehörige der Nationalgarde, etwa 60 000 Grenzschutzbeamte und 100 000 Beamte der Nationalpolizei an den Aktivitäten des Sicherheits- und Verteidigungssektors beteiligt.» Im Mai sprach er bei einer Rede von «einer Million Menschen, die dem Feind gegenüberstehen werden.»    

Schätzungen des International Institute for Strategic Studies zufolge verfügt die Ukraine über rund 196 600 aktive Streitkräfte und circa 900 000 Reservisten. Im Februar ordnete Selenskyj eine Teilmobilmachung an und ließ Reservisten einberufen.

In der Ukraine besteht eine einjährige Wehrpflicht für Männer ab 18 Jahren, die 2024 abgeschafft werden soll. Seit der russischen Invasion dürfen Männer im wehrfähigen Alter zwischen 18 und 60 Jahren das Land nicht mehr verlassen. Ausnahmen gelten für Familienväter mit drei oder mehr minderjährigen Kindern und alleinstehende Väter minderjähriger oder behinderter Kinder. Zwangsrekrutierungen aber sind nicht belegt. 

(Stand: 20.07.2022)

Links 

Facebook-Beitrag mit Falschbehauptung (archiviert)

Times Interview mit Verteidigungsminister (archiviert)

Ukrinform Artikel (archiviert)

Resnikow Rede (archiviert)

CNN Artikel zu Truppenstärke (archiviert)

Tagesspiegel Artikel (archiviert)

Berliner Zeitung Artikel zur Wehrpflicht (archiviert)

Frankfurter Rundschau Artikel zu Ausreiseverbot (archiviert)

Über dpa-Faktenchecks

Dieser Faktencheck wurde im Rahmen des Facebook/Meta-Programms für unabhängige Faktenprüfung erstellt. Ausführliche Informationen zu diesem Programm finden Sie hier.

Erläuterungen von Facebook/Meta zum Umgang mit Konten, die Falschinformationen verbreiten, finden Sie hier.

Wenn Sie inhaltliche Einwände oder Anmerkungen haben, schicken Sie diese bitte mit einem Link zu dem betroffenen Facebook-Post an faktencheck@dpa.com. Nutzen Sie hierfür bitte die entsprechenden Vorlagen. Hinweise zu Einsprüchen finden Sie hier.

Schon gewusst?

Wenn Sie Zweifel an einer Nachricht, einer Behauptung, einem Bild oder einem Video haben, können Sie den dpa-Faktencheck auch per WhatsApp kontaktieren. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.