Kein Bezug zur Impfpflicht

"Geh nach Hause": Lindner-Zitat stammt aus Rede im Jahr 2017

21.07.2022, 13:05 (CEST)

Ein Zitat von Christian Lindner wird irreführenderweise mit der Corona-Impfpflicht im Gesundheitssektor in Verbindung gebracht. Die Aussage ist aber viel älter - und wurde auch für ein Meme verwendet.

Eine Frau im blauen Kittel legt ein paar Gegenstände in einen Spind. Dazu zeigt das Kurzvideo, das in sozialen Netzwerken kursiert, den Text «Letzter Arbeitstag... weil ungeimpf!» (sic) und «ab morgen Zutrittsverbot». Im Hintergrund ist die Stimme von Bundesfinanzminister Christian Lindner zu hören, der sagt: «Dein Arbeitsplatz fällt weg. Geh nach Hause, wir brauchen dich nicht mehr.» So vermittelt das Video den Eindruck, der FDP-Politiker habe diese Sätze über die einrichtungsbezogene Corona-Impfpflicht und ungeimpfte Pflegekräfte gesagt.

Bewertung

Das Zitat von Christian Lindner wurde aus dem Kontext gerissen. Seine Aussagen werden in dem Video irreführenderweise verwendet. Sie stammen aus einer Rede bei einem außerordentlichen FDP-Bundesparteitag im Jahr 2017. Die Worte des Parteichefs beziehen sich auf seine Kritik an Forderungen nach einem bedingungslosen Grundeinkommen. Mit der einrichtungsbezogenen Corona-Impfpflicht hat das Zitat nichts zu tun.

Fakten

Eine Google-Suche zeigt: Die Aussage von Christian Linder stammt aus einer Rede, die der FDP-Vorsitzende am 17. September 2017 - lange vor Corona - auf einem außerordentlichen Parteitag kurz vor der damaligen Bundestagswahl gehalten hat. Die Rede steht im kompletten Wortlaut auf der Website der Freien Demokraten. Eine Aufzeichnung des Auftritts ist zudem auf dem FDP-Youtube-Kanal zu finden.

Lindner sprach über die Bildungspolitik. Neben einem modernen schulischen Bildungssystem forderte er ein weiteres Bildungssystem für "Spätveränderer". Denn im Zuge der Digitalisierung würden viele alte Arbeitplätze wegfallen, während bei zukünftigen Arbeitsplätzen digitale Kompetenzen immer wichtiger würden. Die Menschen müssten sich daher auf Veränderungen einstellen und mit Umschulungen und Qualifikationen an die neue Situation auf dem Arbeitsmarkt anpassen. Hier wolle die FDP entsprechende Angebote vorantreiben.

In diesem Zusammenhang kritisiert Lindner das politische linke Spektrum für die Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen. Damit würde man die Leute abschreiben, da ein Grundeinkommen nach dem Verständnis der FDP keine Anreize schaffe, um sich an die Veränderungen anzupassen. Hierbei fällt auch die Aussage Lindners (ab Minute 22:05), die in dem Video zu hören ist. Die Aussagen haben somit keinerlei Bezug zu einer einrichtungsbezogenen Impfpflicht. Sie sind viel älter und stammen aus einer Zeit vor der Corona-Pandemie.

Zum Schutz besonders gefährdeter Menschen hat der Bundestag im Dezember 2021 eine einrichtungsbezogene Corona-Impfpflicht beschlossen. Demnach müssen Beschäftigte im Gesundheits- und Pflegebereich nachweisen, dass sie dank Impfungen oder einer überstandene Infektion ausreichend gegen das Coronavirus geschützt sind oder sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können. Bei Verstößen kann das zuständige Gesundheitsamt die Beschäftigung in – oder den Zutritt zu - den Einrichtungen, in den die Nachweispflicht gilt, untersagen.

Bei der Frau, die in dem Video zu sehen ist, handelt es sich unterdessen um eine TikTok-Nutzerin mit dem Namen "Larissa Cecile". Sie hatte das Video bereits am 7. März 2022 auf der Videoplattform veröffentlicht. Die Audioaufnahme der Lindner-Aussage wurde auf TikTok ursprünglich als satirisches Meme verbreitet.

(Stand: 21.7.2022)

Links

Bundesgesundheitsministerium über einrichtungsbezogene Impfpflicht (archiviert)

Facebook-Post (archiviert)

Lindner-Rede auf FDP-Parteitag vom 17. September 2022 (archiviert)

Mitschnitt der Rede auf FDP-Youtube-Kanal

Tik-Tok-Video von "Larissa Cecile" (archiviert)

Tik-Tok-Video von "wienmeme" (archiviert)

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