Zahlen fehlinterpretiert

Britische Daten zu Antikörpern belegen Wirksamkeit der Impfung

08.07.2022, 16:39 (CEST)

Trotz sehr hoher Infektionszahlen haben derzeit relativ wenige Menschen schwere Covid-Verläufe. Mit Bezug auf fast ein Jahr alte britische Daten wird aber behauptet, die Impfung schwäche das Immunsystem. Doch das stimmt nicht.

Wie alle Impfungen ist auch die gegen Covid nicht perfekt: Sie schützt weniger gegen Infektionen, als sich viele Menschen anfangs erhofft haben. Es gibt auch seltene Nebenwirkungen. Aber dass die Vorteile der Impfung die Nachteile bei weitem überwiegen, ist in zahlreichen Studien belegt. Trotzdem gibt es nach wie vor viele Versuche, sie in Verruf zu bringen. Nun soll angeblich ein einziger Satz in einer 29 Seiten langen, ein Jahr alten Veröffentlichung der britischen Gesundheitsbehörde belegen, dass die Impfung das Immunsystem dauerhaft schädigt (archiviert). Der Grund: Bei einem von zwei verwendeten Tests wurde von einer bestimmten Sorte Antikörper weniger gemessen.

Bewertung

Diese Schlussfolgerung ist falsch. Der Satz belegt im Gegenteil die hohe Wirksamkeit der Impfung. Das Immunsystem bildet weniger dieser bestimmten Antikörper, weil durch den Schutz der Impfung weniger von ihnen gebraucht werden.

Fakten

Im «Vaccine Surveillance Report» der britischen Gesundheitsbehörde UK Health Security Agency UKHSA vom 21. Oktober 2021 geht es um die Wirksamkeit der Covid-Impfstoffe. In einem Abschnitt behandelt der Text auf Seite 23 die Ergebnisse von Proben, die aus Blutspenden gewonnen und mit zwei Tests der Firma Roche auf Antikörper untersucht wurden. Darin steht folgender Satz:

«Seropositivity estimates for N antibody will underestimate the proportion of the population previously infected due to [...] recent observations from UK Health Security Agency (UKHSA) surveillance data that N antibody levels appear to be lower in individuals who acquire infection following 2 doses of vaccination.»

Auf Deutsch also: «Schätzungen zum Vorhandensein von Antikörpern unterschätzen den Anteil der Bevölkerung, der bereits infiziert war aufgrund von [...] kürzlich erfolgten Beobachtungen der UKHSA, dass das N-Antikörperniveau bei Individuen, die zweifach geimpft sind, niedriger zu sein scheint.»

Bei zweifach geimpften Personen wurden also weniger «N-Antikörper» gemessen. Zum Verständnis ist eine Information wichtig: Bei der Untersuchung wurden zwei verschiedene Tests der Firma Roche verwendet. Der eine, hier «Roche N» genannt, erkennt nur Nukleokapsid-Antikörper, die der Körper nach einer Infektion erzeugt. Der andere, «Roche S», erkennt Spike-Antikörper, die sowohl als Folge einer Infektion als auch nach einer Impfung im Körper entstehen.

Dass die N-Antikörper bei zweifach geimpften Personen niedriger sind, heißt aber weder, dass das Immunsystem geschwächt ist noch dass die betroffenen Personen schlechter gegen Covid geschützt sind. Der Virologe Leif-Erik Sander von der Charité in Berlin teilte der Deutschen Presse-Agentur (dpa) mit, das Gegenteil sei der Fall.

«Das Immunsystem ist so gut auf das Virus vorbereitet, dass große Mengen der Viruspartikel neutralisiert werden und daher a) weniger Nukleokapsid gebildet und b) weniger Antikörper gegen Nukleokapsid gebildet werden», erklärt Sander den Vorgang dahinter. Es werden also weniger dieser Antikörper gebildet, weil aufgrund der Impfung weniger gebraucht werden.

(Stand: 7.7.2022)

Links

Facebook-Post mit Behauptung (archiviert)

Britischer Bericht zu Antikörper-Untersuchung vom 21.10.2021 (archiviert)

Infoblatt der Firma Roche zu «S»-Antikörpertest (archiviert)

Infoblatt der Firma Roche zu «N»-Antikörpertest (archiviert)

Informationen zu Leif-Erik Sander bei der Charité (archiviert)

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