Weltwirtschaftsforum in Davos

Zahl der Reisen mit Privatjet unklar

24.06.2022, 11:53 (CEST)

Klimakrise und Privatjet - das passt nicht zusammen. Doch sind zum Weltwirtschaftsforum in Davos tatsächlich 1500 Privatjets angereist? Die Zahl stammt von 2019 und ist umstritten.

Beim Weltwirtschaftsforum (WEF) ist die Klimakrise seit Jahren ein zentrales Thema. Dass viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit dem Flugzeug nach Davos reisen, löst daher Kritik aus: Rekordverdächtige 1500 Privatjets seien angeblich anlässlich des Weltwirtschaftsforums 2022 in der Schweiz gelandet, «um zu diskutieren wie dein CO2-Fußabdruck verringert werden kann», heißt es in einem aktuellen Facebook-Beitrag (archiviert). Dazu wird ein Foto geteilt, auf dem eine Reihe von Flugzeugen zu sehen ist.

Bewertung

Es ist unklar, wie viele Teilnehmer dieses Jahr mit einem Privatjet zum Weltwirtschaftsforum in Davos angereist sind. Die Zahl 1500 stammt aus dem Jahr 2019 und ist umstritten, das Foto wurde 2016 aufgenommen. Das WEF kompensiert nach eigenen Angaben seinen gesamten CO2-Verbrauch. Zudem stellt es seinen Teilnehmern nachhaltige Transportmöglichkeiten zur Verfügung.

Fakten

Das geteilte Foto ist nicht aktuell. Es stammt aus dem Januar 2016 und zeigt Passagierflugzeuge auf dem Schweizer Luftwaffenstützpunkt in Dübendorf. Der Bildunterschrift zufolge wird der Flughafen aber von Teilnehmern des Weltwirtschaftsforums genutzt.

Die Behauptung, bei dem Treffen habe es eine Rekordzahl von 1500 Privatjets gegeben, geht vermutlich auf einen Artikel des britischen «Guardian» aus dem Jahr 2019 zurück, der das Bild ebenfalls verwendet hatte. In der Überschrift heißt es, eine Rekordzahl privater Jets sei für die Klima-Gespräche in Davos gelandet. «Experten prognostizieren bis zu 1500 private Individualflüge von und zu den Flugplätzen des Schweizer Skigebiets für das Weltwirtschaftsforum», steht in dem Artikel.

Das Weltwirtschaftsforum (WEF) wies die Kritik zurück und schrieb ein paar Tage nach Veröffentlichung des Artikels auf seiner Webseite, aus Daten der beiden offiziellen Flughäfen des Forums gehe hervor, dass das Ausmaß des privaten Flugverkehrs von und zum jährlichen Treffen über die Jahre um 20 Prozent gesunken sei.

Zu diesem Ergebnis kommt das WEF folgendermaßen: Die beiden nahe gelegenen Flughäfen Zürich und St. Gallen-Altenrhein sprechen in ihren dem WEF übermittelten Daten von Flugbewegungen («air traffice movements», ATMs). Laut WEF werden Flugbewegungen auch gezählt, wenn Flugzeuge zum Beispiel zu einer anderen Landebahn fliegen, um dort zu parken und dann wieder zu starten, um Passagiere abzuholen. Dadurch entstehe eine insgesamt zu hohe und daher wenig aussagekräftige Gesamtzahl an Flugbewegungen, so das WEF.

Insgesamt hat es im Jahr 2019 der WEF-Rechnung zufolge 1050 Flugbewegungen gegeben. 2018 seien es 1171 gewesen. Da die beiden Flughäfen aber auch für den sonstigen Flugverkehr genutzt werden, seien von den 1050 Flugbewegungen 432 dem sonstigen Flugverkehr zuzurechnen.

Daher sei 2019 von nur 618 Flugbewegungen auszugehen, die im Zusammenhang mit dem Weltwirtschaftsforum stünden, was danach 309 Flügen entspricht. «Kommerzielle Unternehmen» hätten in Medienberichten auf Grundlage einer «unspezifischen Methodik» eine «stark überhöhte Zahl an Privatjets prognostiziert», resümiert das WEF.

Der «Guardian» bezog sich in seinem Artikel auf Daten des Unternehmens Air Charter Service, das den Einsatz von Privatjets dokumentiert. Der Deutschen Presse-Agentur (dpa) sagte ein Sprecher von Air Charter Service, die Schätzung von 1500 Privatjets habe sich auf das Jahr 2019 bezogen. Das Unternehmen habe seither keine weiteren Analysen durchgeführt. Mehrere Anfragen der dpa zur Anzahl der Privatjets 2022 ließ das WEF unbeantwortet.

Als ISO-zertifiziertes Event (Anm. entspricht definierten Nachhaltigkeits-Standards) versuche das Weltwirtschaftsforum permanent seinen CO2-Fußabdruck zu reduzieren, betonen die Veranstalter. Dazu gehörten Boni für Zugreisende sowie eine Kompensation von Flug-Emissionen. Im Jahr 2018 seien damit eine Reihe von Projekten auf der ganzen Welt unterstützt worden - darunter Biogasanlagen in der Schweiz, ein hydroelektrisches Projekt in Brasilien und Windkraftanlagen in Vietnam.

Über weitere Bemühungen zu nachhaltigem Reisen informiert das Weltwirtschaftsforum auf seiner Webseite. So kompensiert das WEF demnach seit 2017 seinen gesamten CO2-Verbrauch durch die Unterstützung von Umweltprojekten. Zudem stellt es seinen Teilnehmern nachhaltige Transportmöglichkeiten für die An- und Abreise zur Verfügung.

(Stand: 23.6.2022)

Links

Reuters-Foto vom Luftwaffenstützpunkt in Dübendorf (archiviert)

«Guardian»-Artikel (archiviert)

Beitrag des Weltwirtschaftsforums 2019 (archiviert)

Beitrag von «UN Today» (archiviert)

Informationen zur ISO-Norm 20121 (archiviert)

Weltwirtschaftsforum über Nachhaltigkeits-Bemühungen (archiviert)

Facebook-Post mit Foto (archiviert)

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