Falsche Zahlen - anderes Thema

Interview mit Landwirtschaftsministerin drehte sich um Zuverdienste

17.06.2022, 11:12 (CEST)

Geht es um Asylbewerber, ist so manches Vorurteil schnell zur Hand. Und so macht seit langem ein völlig unzutreffender Vergleich im Netz die Runde.

Ein zu gegebenen Anlässen immer wieder für Hetze verwendetes Thema: Asylsuchende bekommen angeblich mehr Geld vom Staat als deutsche Rentnerinnen und Rentner. Um das zu beweisen, werden die Aussagen einer ehemaligen Ministerin (hier archiviert) immer noch genauso falsch wiedergegeben wie beim ersten Verbreiten Anfang April 2020.

Bewertung

Im Interview mit der damaligen Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner von April 2020 ging es um Zuverdienstgrenzen im Zusammenhang mit dem Mangel an Saisonkräften wegen der Corona-Pandemie. Sie verglich dabei nicht die Leistungen für Asylsuchende und Rentner; die kolportierten Summen erwähnte sie ebenfalls nicht.

Fakten

Die damalige Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) sprach am 1. April 2020 in der «Tagesschau» über fehlende Erntehelfer. Angeblich habe sie bei diesem Interview indirekt «zugegeben», dass Asylsuchende mehr als 1100 Euro im Monat hätten, Rentner aber nur 600 Euro. Doch die Zahlen sind falsch - zudem: Klöckner zog überhaupt keinen solchen Vergleich. Es ging im Interview allein um Zuverdienstgrenzen.

Um Personalengpässen bei Saisonkräften und in anderen Bereichen entgegenzuwirken, wurde wegen der Corona-Pandemie 2020 die Verdienstgrenze bei vorgezogenen Renten deutlich erhöht: Frührentnerinnen und -rentner konnten im Jahr 2020 statt zuvor 6300 Euro 44 590 Euro hinzuverdienen, ohne dass ihre Rente gekürzt wurde. Für 2022 liegt die Verdienstgrenze bei 46 060 Euro, so die Deutsche Rentenversicherung.

Um Asylsuchende ging es im Interview ebenfalls nur hinsichtlich ihres möglichen Zuverdienstes. So wurde Klöckner gefragt, ob auch Asylsuchende als Saisonkräfte arbeiten können. Darauf antwortete sie: «Bei denjenigen, die eine Arbeitserlaubnis haben, ist natürlich die Hinzuverdienstgrenze sehr unattraktiv, was dann abgezogen wird.»

Wie viel Asylsuchende hinzuverdienen dürfen

Die Grenze des Zuverdienstes lag damals und liegt noch immer bei maximal 50 Prozent des jeweils zustehenden Bedarfs. Somit durfte im Jahr 2020 ein Asylsuchender in den ersten anderthalb Jahren in Deutschland ohne Abzüge maximal 175,50 Euro hinzuverdienen.

2022 erhält ein erwachsener Asylsuchender, der nicht in einer Sammelunterkunft lebt, maximal 204 Euro für notwendigen Bedarf (darunter Ernährung und Kleidung) plus maximal 163 Euro für notwendigen persönlichen Bedarf (darunter ÖPNV und Telefon). Derzeit liegt die Grenze des Zuverdienstes - 50 Prozent des zustehenden Bedarfs - also bei 183,50 Euro.

Nach 18 Monaten Aufenthalt in Deutschland haben Asylbewerber Anspruch auf Leistungen in Höhe der Sozialhilfe. Zum Zeitpunkt des Interviews lag der Hartz-IV-Regelsatz bei 432 Euro. Asylbewerber durften und dürfen höchstens Einnahmen in Höhe der Hälfte des Regelbedarfs haben, damit ihre Leistungen nicht gekürzt werden. Damals waren das also 216 Euro - heute wären es maximal 224,50 Euro (Regelbedarf seit 1. Januar 2022: 449 Euro).

Rente: Anspruch auf Grundsicherung im Alter

Ebenso falsch wie die angeblichen monatlichen 1100 Euro für Asylbewerber ist auch die Angabe von 600 Euro für Rentnerinnen und Rentner. Ruheständler mit geringer Rente haben Anspruch auf Grundsicherung im Alter. Als Faustregel galt damals laut Deutscher Rentenversicherung: «Wenn Ihr gesamtes Einkommen unter 865 Euro liegt, sollten Sie prüfen lassen, ob Sie Anspruch auf Grundsicherung haben.» Heute gilt das, wenn das gesamte Einkommen weniger als 924 Euro beträgt.

(Stand: 16.6.2022)

Links

Deutsche Rentenversicherung: Verdienstgrenze 2020 - archivierte Fassung

Deutsche Rentenversicherung: Verdienstgrenze 2022 (archiviert)

Asylbewerberleistungsgesetz - 2020 archivierte Fassung

jüngste Fassung des Asylbewerberleistungsgesetzes (archiviert)

Höhe der Leistungssätze ab 2020 nach Asylbewerberleistungsgesetz

Höhe der Leistungssätze 2022 nach Asylbewerberleistungsgesetz (archiviert)

Sozialgesetzbuch: Regelbedarfsstufen - 2020 archivierte Fassung

Deutsche Rentenversicherung: Grundsicherung - 2020 archivierte Fassung

Deutsche Rentenversicherung: Grundsicherung (archiviert)

Facebook-Post mit falscher Behauptung (archiviert)

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