Nur sehr wenig Fluorid

Zähneputzen ist für die Schilddrüse ungefährlich

14.06.2022, 14:52 (CEST)

Zahnpasta enthält oft Fluoride, um Karies zu bekämpfen - Kritiker behaupten, Paste mit Fluorid gefährde die Gesundheit. Ein Arzt soll gesagt haben: «Putzen Sie die Zähne mit einer fluoridhaltigen Zahnpasta, wird über die Lymphbahnen der Mundschleimhaut Fluorid aufgenommen und über die Lymphbahnen der Schilddrüse zugeführt. Dort löst es Jod aus seiner Verbindung mit Thyroxin. Es entsteht Fluorid-Thyroxin, das die Schilddrüse zerstört.» (archiviert) Stimmt das?

Bewertung

Es ist aus wissenschaftlicher Sicht völlig unbedenklich, sich die Zähne mit fluoridhaltiger Zahnpasta zu putzen. Um eine gefährliche Menge davon zu sich zu nehmen, müsste man mehrere Tuben Zahnpasta schlucken.

Fakten

In der Zahnmedizin werden verschiedene Fluoride eingesetzt. Sie schützen die Zahnoberfläche vor Säuren und Bakterien. Studien haben gezeigt, dass Fluoride zu einem Rückgang von Karieserkrankungen beigetragen haben.

Doch Fluorid steht immer wieder in dem Ruf, gefährlich für den Körper zu sein. Doch wie bei vielen Stoffen gilt auch hier: Es kommt auf die Dosis an. Lediglich eine akut hohe Menge an Fluorid könnte laut Bundesinstitut für Risikobewertung «Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Durchfall, Benommenheit, Kopfschmerzen, (...) und sogar Tod hervorrufen».

Echte Vergiftungen mit Fluorid sind nahezu ausgeschlossen. «Die «Giftigkeit» der Fluoride ist nach wissenschaftlichen Untersuchungen fast 10-mal geringer als die von Kochsalz», beruhigt Christoph Benz von der Bundeszahnärztekammer. Und Fachzahnarzt Stefan Zimmer schildert die Situation gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa) so: «Die Daten der Giftnotrufzentrale Nord zeigen in einem Zeitraum von 20 Jahren nur einen Fall mit mehrfachem Erbrechen infolge Verschluckens von Fluoridzahnpasten bei Kindern. Bei Erwachsenen ist das Risiko noch geringer.»

Die Stiftung Warentest rechnet mit einer täglichen Aufnahme von 0,4 bis 1,5 Milligramm Fluorid - deutlich weniger als grundsätzlich in Ordnung wäre. Denn der Einschätzung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung lässt sich entnehmen: Der Richtwert für Erwachsene liegt (je nach Alter und Geschlecht) bei 2,9 bis 3,8 Milligramm Fluorid pro Tag. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit schlägt eine angemessene Zufuhr vor, die sich mit dem Wert der Deutschen Gesellschaft für Ernährung deckt.

Die gefährliche Menge Fluorid, die die oben genannten Symptome hervorrufen würde, ist dem Atlas der Pharmakologie und Toxikologie für Zahnmediziner zu entnehmen. Sie liegt bei 5 Milligramm Fluorid pro Kilogramm Körpergewicht. Bei einem Erwachsenen entspricht das etwa 300 bis 500 Milligramm Fluorid an einem Tag.

Und wie viel Fluorid steckt nun in der Zahnpasta? Dazu gibt es Vorgaben von der Europäischen Union: Zahnpasten für Erwachsene enthalten maximal 0,15 Prozent Fluorid. Christoph Benz von der Bundeszahnärztekammer rechnet vor, ab welcher Menge der Verzehr bedenklich würde: «Ein Erwachsener mit 70 kg Gewicht müsste mehr als 3,5 Tuben Erwachsenenzahnpaste (1500 ppm Fluorid, 75 ml) essen, ein 3-jähriges Kind mit 15 kg zwei Tuben Kinderzahnpaste (1000 ppm Fluorid, 50 ml).»

Dass es auf die Menge des Fluorids ankommt, gilt auch in Bezug auf die Schilddrüse. Dass die Schilddrüse wie behauptet durch Fluoride «zerstört» wird, ist wissenschaftlich durch nichts belegt. Nachdem eine englische Studie im Jahr 2015 angedeutet hatte, dass hohe Fluorid-Konzentrationen im Trinkwasser, wie sie in einigen Regionen zum Teil durch Beimischung vorkommen, zu einem vermehrten Auftreten von Schilddrüsenunterfunktion beitragen könnte, kam es zu einer Debatte unter Fachleuten. Andere Wissenschaftler kritisierten das Forschungsdesign der Studie. Ein kausaler Zusammenhang wurde bis jetzt nicht bewiesen.

In Deutschland gibt es keine solche Beimischung von Fluorid («Fluoridierung») ins Trinkwasser. In einem Interview mit dem MDR erklärte die Endokrinologin Dany Wieländer, dass die Dosis in den handelsüblichen Zahnpasten auch hinsichtlich der Schilddrüse unbedenklich sei.

(Stand: 13.6.2022)

Links

Mundgesundheitsstudie (8/2016) (archiviert)

Einschätzung des Bundesinstituts für Risikobewertung (31.5.2018) (archiviert)

Stiftung Warentest zu Fluorid (10.10.2020) (archiviert)

Richtwerte der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (archiviert)

Vorschlag der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (8.8.2013) (archiviert)

Atlas der Pharmakologie und Toxikologie für Zahnmediziner (archiviert)

EU-Richtlinien (archiviert)

Studie zu Fluorid und Schilddrüsenfunktion im «Journal of Epidemiology & Community Health» (24.2.2015) (archiviert)

Kommentar zur Studie im «British Dental Journal» (13.11.2015) (archiviert)

Bundesinstitut für Risikobewertung u.a. über Fluoridierung (12.5.2005) (archiviert)

MDR-Artikel mit Einschätzung einer Endokrinologin (20.2.2022) (archiviert)

Beitrag auf Facebook (archiviert)

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