Kein Ukraine-Bezug

Corona-Pandemie sorgt für Rückgang der Organspenden

03.06.2022, 10:57 (CEST)

Die Folgen der Corona-Pandemie wirken sich auch auf die Zahl der Organspender in Deutschland aus. Einen Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine gibt es dabei nicht.

Organtransplantationen sind für Erkrankte oft die letzte Überlebenschance. Umso erschreckender ist daher diese Nachricht der Deutschen Stiftung Organtransplantation: Die Anzahl der Organspender in Deutschland sank im ersten Quartal 2022 um 29 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Die Stiftung verzeichnete zudem einen starken Rückgang bei der Anzahl der entnommenen Organe und den durchgeführten Transplantationen. Als möglichen Grund für die Entwicklung bringen einige auf Telegram (hier archiviert) und Facebook (hier archiviert) den Krieg in der Ukraine ins Spiel.

Bewertung

Die Vermutung ist haltlos. Hauptgrund für den Rückgang bei den Organspenden ist die Corona-Pandemie.

Fakten

Am 8. April 2022 veröffentlichte die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) eine Pressemitteilung zum Thema. Ein Screenshot davon wird den Falschbehauptungen angehängt. Die Pressemitteilung begründet den Rückgang jedoch nicht mit dem Krieg in der Ukraine, sondern hauptsächlich mit Auswirkungen der Corona-Pandemie.

Die DSO vermutet, dass durch die Arbeitsüberlastung in den Kliniken weniger Organspenden möglich waren. Außerdem werden mögliche Spender von einer Organentnahme meist ausgeschlossen, wenn sie in Folge einer schweren COVID-19-Erkrankung verstorben sind. Die Statistiken der DSO weisen auch darauf hin, dass bei den Patienten vermehrt ein Herz-Kreislaufversagen festgestellt wurde – dann ist keine Organspende mehr möglich. Zudem wurden insgesamt weniger Zustimmungen zur Organspende verzeichnet.

Dabei ist wichtig zu beachten: Die veröffentlichten Zahlen beziehen sich auf Organspenden, die in Entnahmekrankenhäusern in Deutschland realisiert wurden. Susanne Venhaus von der DSO stellt auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa) klar: «Es geht hier also ganz klar um eine Situation innerhalb Deutschlands, die mit der Ukraine in keine Verbindung gebracht werden kann.»

In Deutschland gibt es ein Transplantationsgesetz, das die Spende, Entnahme, Vermittlung und Übertragung von Spenderorganen regelt. Laut Bundesgesundheitsministerium ist die DSO für die Koordinierung der Organspende in Deutschland zuständig. Mit der Organvermittlung wurde die Stiftung Eurotransplant beauftragt.

Das Unternehmen vermittelt und koordiniert den internationalen Austausch von Spenderorganen in acht europäischen Ländern: Deutschland, Belgien, Kroatien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Slowenien und Ungarn. «Innerhalb des Eurotransplant-Verbundes werden in Deutschland gespendete Organe auch in andere Länder vermittelt und Organe aus anderen Ländern werden auch in Deutschland transplantiert», erklärt Venhaus. In der Ukraine entnommene Organe spielen für Deutschland also gar keine Rolle.

Eurotransplant hat zudem Vereinbarungen mit 17 anderen Organvermittlungsorganisationen unterzeichnet – für den Fall, dass in den eigenen Ländern kein geeigneter Empfänger für ein Organ gefunden werden kann. Die Ukraine kommt auch in dieser Liste nicht vor.

Das Bundesgesundheitsministerium bestätigte auf Anfrage, dass Deutschland Organspenden ausschließlich über Eurotransplant erhält und nicht aus der Ukraine. Auch liegen dem Ministerium keine Kenntnisse zu illegalem Organhandel mit der Ukraine vor.

In den sozialen Netzwerken wird zudem behauptet, dass sich die Kindersterblichkeit in russischsprachigen Gebieten der Ostukraine seit 2014 wohl erhöht habe. Auch das ist falsch. Die Zahlen des World Development Indicators – die wichtigste Sammlung von Entwicklungsindikatoren der Weltbank – zeigen das Gegenteil.

2014 starben noch 4037 Kleinkinder in der gesamten Ukraine, über die Jahre hinweg wurde ihre Zahl aber immer weniger. 2020 waren es noch 2786 tote Kleinkinder. Ihre Sterblichkeitsrate pro 1000 Lebendgeburten sank von 8,4 im Jahr 2014 auf 6,9 im Jahr 2020. Anteilig dürfte dies auch auf die Ostukraine übertragbar sein.

(Stand: 3.6.2022)

Links

Telegram-Post (archiviert)

Facebook-Post (archiviert)

Pressemitteilung DSO (archiviert)

Organspendezahlen auf einen Blick (archiviert)

Region Eurotransplant (archiviert)

Internationaler Organ-Austausch (archiviert)

Infos des Bundesgesundheitsministeriums zur Organspende (archiviert)

Transplantationsgesetz (archiviert)

Sterblichkeitsrate in der Ukraine (archiviert)

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