Rabatte und Sonderaufgaben

Verteilungssystem der EU ist komplexer als Mietzahlungen

09.06.2022, 10:26 (CEST)

Einige Staaten der Europäischen Union überweisen mehr Geld nach Brüssel, als sie empfangen. Das empfinden einige als ungerecht, doch diese Rechnung geht nicht auf. Dies sind die Fakten.

Oft wird bemängelt, die Europäisches Union (EU) sei ein behäbiges Konstrukt mit zähen und komplexen Prozessen. Nun wird mit einem in den sozialen Netzwerken verbreiteten Vergleich auf einem Sharepic suggeriert, dass neun der EU-Mitgliedsstaaten alles bezahlen und die anderen 18 nur Geld empfangen. Aber soll dieser eine Aspekt im europäischen Rahmen wirklich so einfach sein?

Bewertung

Diese Aussage ist stark vereinfacht und gibt das komplexe Verteilungssystem der Europäischen Union nicht wieder.

Fakten

Jeder EU-Mitgliedsstaat muss jedes Jahr einen Anteil seines Bruttonationaleinkommens (BNE) in den EU-Haushalt einzahlen. Aber jedes Land erhält auch Mittel zurück, die für verschiedene Arten von Projekten ausgegeben werden können.

Prinzip: Nettozahler und -empfänger

Betrachtet man ausschließlich Einnahmen und Ausgaben, gibt es Länder, die mehr Leistungen erhalten, als sie einzahlen, und umgekehrt - also Nettoempfänger und Nettozahler. Dabei würde man jedoch vernachlässigen, dass einige Länder aufgrund ihrer EU-Mitgliedschaft von weiteren Einnahme-Quellen profitieren: Länder mit internationalen Häfen wie beispielsweise die Niederlande erhalten Zolleinnahmen für Importe. Ein weiteres Beispiel ist Belgien, das zum Beispiel Kostenerstattungen erhält, weil es große Organe der EU beherbergt wie etwa das Europäische Parlament. So ergeben sich indirekte Rabatte.

Direkte Rabatte für Nettozahler

Darüber hinaus gibt es direkte Erstattungen für Länder, die einen hohen Beitrag zahlen. Für fünf Staaten gelten Pauschalkorrekturen auf ihre jährlichen BNE-Beiträge auch für den kommenden Haushalt von 2021 bis 2027: Dänemark erhält einen Rabatt von 377 Millionen Euro, Deutschland 3,671 Milliarden Euro, die Niederlande 1,921 Milliarden Euro, Österreich 565 Millionen Euro und Schweden 1,069 Milliarden Euro.

Diese Regelung geht auf einen Beschluss im Jahr 1984 zurück. Damals hatten die Mitgliedsstaaten zugestimmt, dem Vereinigten Königreich «einen Rabatt zur Verringerung seines Beitrags zum EU-Haushalt zu gewähren», wie die EU schreibt. Daraufhin forderten auch weitere Staaten diese Behandlung.

EU: Mehr als nur Geldströme

Obwohl die Beiträge einiger Länder höher sind als die anderer, haben alle Mitgliedstaate Vorteile von einem gemeinsamen EU-Haushalt. Denn dieser bedeutet nach dem Selbstverständnis der EU Frieden, Stabilität, bessere Infrastruktur, Freiheit für die Bürgerinnen und Bürger überall in der EU leben, arbeiten und reisen zu können.

Außerdem werden bei eine rein auf Einnahmen und Ausgaben basierten Perspektive nicht die Vorteile berücksichtigt, die EU-Mitgliedsstaaten etwa durch den Binnenmarkt haben. «Sie trägt auch nicht den Geschäftschancen Rechnung, die die Kohäsionspolitik, die wichtigste Investitionspolitik der EU, für Unternehmen aus der gesamten Union schafft», heißt es auf der Internetseite der Europäischen Kommission.

Von der Verteilung von Geld an andere EU-Staaten können Länder auch indirekt profitieren. Als Beispiel nennt die EU Zahlungen für den Schutz der EU-Außengrenzen an etwa Ungarn, Polen, Kroatien und Griechenland.

(Stand: 7.6.2022)

Links

Sharepic auf Twitter (archiviert)

Sharepic auf Facebook (archiviert)

EU zu Einzahlungen in Budget (archiviert)

bpb zu Bruttonationaleinkommen (archiviert)

bpb zu Gelder-Verteilung in der EU (archiviert)

EU zu Erstattungen (archiviert)

IW-Kurzbericht zu Rabatten im EU-Haushalt (archiviert)

Pauschalkorrekturen laut EU-Homepage (archiviert)

Internetseite der Europäischen Kommission (archiviert)

Selbstverständnis der EU (archiviert)

Über dpa-Faktenchecks

Dieser Faktencheck wurde im Rahmen des Facebook/Meta-Programms für unabhängige Faktenprüfung erstellt. Ausführliche Informationen zu diesem Programm finden Sie hier.

Erläuterungen von Facebook/Meta zum Umgang mit Konten, die Falschinformationen verbreiten, finden Sie hier.

Wenn Sie inhaltliche Einwände oder Anmerkungen haben, schicken Sie diese bitte mit einem Link zu dem betroffenen Facebook-Post an faktencheck@dpa.com. Nutzen Sie hierfür bitte die entsprechenden Vorlagen. Hinweise zu Einsprüchen finden Sie hier.

Schon gewusst?

Wenn Sie Zweifel an einer Nachricht, einer Behauptung, einem Bild oder einem Video haben, können Sie den dpa-Faktencheck auch per WhatsApp kontaktieren. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.