Kramatorsk-Attacke: Auch Russland hat Totschka-U-Raketen im Arsenal

19.04.2022, 11:12 (CEST)

Moskau weist die Schuld am verheerenden Angriff mit mindestens 50 Toten im ostukrainischen Kramatorsk am 8. April 2022 von sich. Die Begründung: Die Rakete, die für die Attacke auf den Bahnhof verwendet wurde, setzt die russische Armee angeblich gar nicht ein (archiviert). Das behaupten auch die russische Botschaft in Deutschland und das russische Verteidigungsministerium.

Bewertung

Falsch. Sowohl Russland als auch die Ukraine verwenden Totschka-U-Raketen.

Fakten

Bei der Attacke wurde eine Totschka-U-Rakete der Version 9M79-1 eingesetzt. Das wurde unter anderem durch Bilder aus italienischen Medien deutlich. Mehrere Staaten der ehemaligen Sowjetunion, darunter die Ukraine und Belarus, verfügen über diesen Raketentyp, wie unter anderem das Internationale Institut für strategische Studien (IISS) in seinem Jahresbericht über das weltweite Militärpotenzial («Military Balance») berichtet.

Die russische Armee ersetzte nach IISS-Angaben zwar ihr Arsenal offiziell durch die neuere Iskander. Jedoch gibt es im Ukraine-Krieg mehrere Nachweise, dass Moskau noch immer die Totschka-U einsetzt. Bereits am ersten Kriegstag kommt es nach Angaben der Hilfsorganisation Amnesty International zu einem russischen Totschka-U-Angriff auf ein Krankenhaus in Vuhledar. Darüber hinaus ist dem Institute for the Study of War zufolge eine im Donbass eingesetzte russische Einheit mit der Rakete ausgerüstet.

Auch die Seriennummer auf der Rakete, die bei der Produktion zu Sowjet-Zeiten vergeben wurde, lässt das Geschoss nicht auf die ukrainische Armee zurückführen. Die Geschosse sind mittlerweile alt und in mehreren Staaten des ehemaligen Ostblocks sowie etwa in Syrien gelagert. Es sei Zufall, welches Land welche Seriennummern erhalten habe, erklärt Oberstleutnant Frederik Coghe von der Königlichen Militärakademie in Brüssel der Deutschen Presse-Agentur (dpa). «Seriennummern bedeuten nichts ohne die Listen, welche Seriennummern sich in welchen Ländern befinden.»

Links

Russische Botschaft in Deutschland über Totschka-U (archiviert)

Lukaschewitsch über Kramatorsk-Angriff (archiviert)

Italienischer Sender TG La7 mit Kramatorsk-Bildern (archiviert)

IISS über Totschka-U im russischen Arsenal (archiviert)

Nachweise für russische Totschka-U-Raketen in der Ukraine (archiviert)

Amnesty International über Angriff in Wuhledar (archiviert)

Frederik Coghe auf Researchgate (archiviert)

Institute for the Study of War über Kramatorsk/Lage in der Ukraine am 8.4.2022 (archiviert)

Facebook-Post mit Falschbehauptung (archiviert)

Kontakt zum dpa-Faktencheckteam: faktencheck@dpa.com