«Kanzlerakte» ist erfunden und kein Beleg für einen Kriegsplan gegen Russland

06.04.2022, 17:05 (CEST)

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine wird von manchen Menschen auf absurde Art und Weise umgedeutet: Es sei die Nato gewesen, die einen «Krieg gegen Russland» geplant habe, wird behauptet (archiviert). Und: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) soll angeblich im Januar gezwungen worden sein, das abzusegnen. Als Beweis wird ein Dokument präsentiert - die vermeintliche «Kanzlerakte».

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Die angebliche «Kanzlerakte» ist eine Fälschung, die schon seit Jahren im Internet kursiert.

Fakten

Russland hat seinen Angriff auf die Ukraine am 24. Februar 2022 begonnen. Da die Ukraine kein Mitglied der Nato, greift das Verteidigungsbündnis nicht militärisch ein. Einige Nato-Länder liefern jedoch etwa Anti-Panzerwaffen, Luftabwehrraketen, Kleinwaffen und Munition sowie medizinisches und anderes militärisches Gerät an die Ukraine.

«Wir sind entschlossen, alles in unserer Macht Stehende zu tun, um die Ukraine zu unterstützen. Aber wir haben die Verantwortung, dafür zu sorgen, dass der Krieg nicht über die Ukraine hinaus eskaliert und zu einem Konflikt zwischen der Nato und Russland wird» erklärte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg bei einer Pressekonferenz am 23. März.

Über eine «Kanzlerakte» wird schon seit Längerem spekuliert. Das auf den 21. Mai 1949 datierte Schriftstück soll den Eindruck eines offiziellen Dokuments erwecken. Verschiedene Details belegen jedoch, dass es eine Fälschung ist. Darin heißt es unter anderem, dass die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs bis 2099 die Hoheit über die Medien in Deutschland besäßen und jeder neue Kanzler diese Akte unterzeichnen müsse.

Die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wurde in einer Bürger-Plattform gefragt, ob sie die «Kanzlerakte» unterzeichnen musste. Das Bundespresseamt antwortete damals im Auftrag der Kanzlerin: «Der "geheime Staatsvertrag", den Sie erwähnen, ist dem Reich der Legenden zuzuordnen. Diesen Staatsvertrag gibt es nicht. Und die Bundeskanzlerin musste selbstverständlich auch nicht auf Anordnung der Alliierten eine sogenannte "Kanzlerakte" unterschreiben, bevor sie ihren Amtseid ablegte. Die erbetene kurze Antwort lautet daher: Nein.»

Dass die Sanktionen gegen Russland über mehrere Monate geplant wurden, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in einer Rede im Bundestag am 23. März 2022. Zuvor hatte er bereits im Februar mitgeteilt, dass mögliche Sanktionen der USA und der Europäischen Union «weit vorbereitet» seien - als sich herauskristallisierte, dass Russland die Ukraine tatsächlich angreifen könnte.

(Stand: 6.4.2022)

Links

Statement des Nato-Generalsekretärs (archiviert)

Blog-Beitrag zur gefälschten «Kanzlerakte» (archiviert)

Antwort des Bundespresseamts auf Anfrage zur «Kanzlerakte» (archiviert)

Rede von Bundeskanzler Scholz im Bundestag, 23.3.2022 (archiviert)

Aussagen Scholz' zu vorbereiteten Sanktionen (archiviert)

Zwei-plus-Vier-Vertrag (archiviert)

Biden-Äußerung zum Ukraine-Krieg (archiviert)

Facebook-Post (archiviert)

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