Szene ist manipuliert und in Originalvideo geschnitten - ukrainische TV-Sendung wurde nicht von Frau mit Plakat unterbrochen

Eine russische TV-Journalistin ist Mitte März mit einem Plakat und den Worten «Nein zum Krieg!» in die Sendung der russischen Abendnachrichten gelaufen. Für ihren Anti-Kriegs-Protest im Fernsehen, der in Russland verboten ist, wurde die Frau vielfach als Heldin gefeiert. In sozialen Medien verbreitet sich nun, dass im ukrainischen Fernsehen Ähnliches passiert sein soll: «Eine mutige ukrainische Medien-Mitarbeiterin hatte gestern in einer Live-Schaltung im Studio des ukrainischen TV-Senders Ukraina 24 (Sendung "Freedom") ein regimekritisches Plakat vor die Kamera gehalten - mit dem Aufruf: "Selenskij kapituliere, hör auf Drogen zu nehmen und kehre lieber zurück auf die Bühne!"», heißt es in einem Facebook-Beitrag (archiviert). Dazu wird ein kurzes Video gezeigt, in dem zu sehen ist, wie eine Frau mit einem Plakat mit ukrainischer Schrift vor einen Tisch mit zwei Moderatoren in die «Freedom»-Sendung läuft und von einem Mann wieder aus dem Bild gezogen wird. Sind die Bilder echt und hat sich der Vorfall in der ukrainischen TV-Sendung so ereignet?

Bewertung

Das Video ist eine Fälschung. Den Vorfall hat es im ukrainischen Fernsehen nicht gegeben. Darauf wies der Sender Ukraine 24 (Schreibweise teils auch: Ukraina 24) hin. Die Frau mit dem Plakat wurde in das Video montiert, wie auch an optischen und logischen Fehlern erkennbar ist. Die Frau hat außerdem selbst in ihrem Telegram-Kanal bestätigt, das Video mit einem sogenannten Greenscreen gedreht zu haben.

Fakten

Der ukrainische TV-Sender Ukraine 24 hat die Szene als Fälschung bezeichnet. «Telegram-Kanäle begannen, Screenshots mit falschen Inhalten über den angeblichen Aufruf an Selenskyj zur "Kapitulation" zu verbreiten, der angeblich in der Sendung "Freedom" erschien», schreibt Ukraine 24 auf Facebook. «Freedom» ist eine Livesendung, die seit Tagen etwa auf Youtube durchgängig läuft und über Russlands Krieg in der Ukraine informiert.

Schaut man sich den kurzen Clip mit der Szene genau an, fallen auch schnell Unstimmigkeiten auf: Die Moderatorin und der Moderator am Studiotisch reagieren nicht auf die Frau, die angeblich live ins Studio laufen soll. Man würde hier eine überraschte Gestik und Mimik erwarten oder zumindest einen Blick in ihre Richtung. Licht und Schärfe der Frau mit dem Plakat passen zudem nicht - direkt vor der Kamera wäre es in einem Studio eher dunkel, die Frau würde nicht so hell erscheinen. Auch wären sie und ihr Plakat unscharf - der Fokus der Kamera liegt auf den Moderatoren.

Auch optische Fehler sind erkennbar: Analysiert man das Video Bild für Bild, erscheint die Frau mit dem Plakat teilweise transparent. Der Hintergrund - der Studiotisch und Farben der Ukraine-Flagge - scheinen durch sie hindurch. Das ist ein Anzeichen für einen technischen Fehler, wenn zwei Videos übereinander gelegt werden (im Video bei Sekunde 0:03).

Alles deutet also darauf hin, dass es sich bei dem vermeintlichen Protest in der ukrainischen Nachrichtensendung um eine Video-Montage handelt. Die Szene mit dem Plakat wurde vor einem sogenannten Greenscreen gedreht und in das Video der Nachrichtensendung hineingeschnitten.

Das bestätigt sogar die Frau, die in dem kurzen Video mit dem Plakat zu sehen ist. Auf ihrem Telegram-Kanal schreibt sie: «Das ist eine Montage, die vor einem Greenscreen gedreht wurde. Ich dachte nicht, dass es so echt aussieht.» Auf ihrem Tiktok-Account wurde der Clip veröffentlicht (archiviert, Video).

Vergleicht man ihre anderen Selfie-Videos mit dem vermeintlichen Protest-Video, erkennt man die Account-Inhaberin deutlich wieder. Sie hat in anderen Videos bereits zuvor die Greenscreen-Technik angewendet und sich in fremde Videos montiert, offenbar um sich über den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj lustig zu machen. In mehreren ihrer Videos ist im Hintergrund außerdem eine grüne Leinwand zu sehen.

(Stand: 22.03.2022)