Text über Masken auf Demonstrationen wurde nicht auf Lauterbachs Twitter-Account veröffentlicht

06.03.2022, 23:26 (CET)

Karl Lauterbach gilt als Befürworter strenger Corona-Maßnahmen. Nun aber soll der Bundesgesundheitsminister sich über Proteste gegen den russischen Krieg in der Ukraine so geäußert haben: «Es ist ein Akt der Solidarität, die Masken- und Abstandspflicht bei Demonstrationen gegen Russland und Putin aufzuheben. Auch Impfgegner dürfen ausnahmsweise dieses Privileg genießen, wenn sie sich für die richtige Seite beim Ukrainekonflikt entscheiden». Ein angeblicher Screenshot eines solchen Tweets von Lauterbach soll das belegen (archiviert). Aber hat er sich auf Twitter wirklich so geäußert?

Bewertung

Es gibt auf Lauterbachs Twitter-Profil und in Internetarchiven keinerlei Hinweise, dass er diese Sätze getwittert hat. Es handelt sich allen Anzeichen nach um eine Fälschung.

Fakten

Dem angeblichen Screenshot zufolge soll der angebliche Tweet auf dem Twitter-Account von Karl Lauterbach veröffentlicht worden sein: Der Benutzername «@Karl_Lauterbach», das Profilfoto und auch der von Twitter zur Verifizierung genutzte Haken deuten darauf hin.

Auf Lauterbachs Account findet sich allerdings kein Tweet mit diesem Wortlaut. Auch in Internetarchiven findet sich seit der russischen Invasion in die Ukraine und seit entsprechenden Demonstrationen in Deutschland gegen den Krieg und Russlands Präsidenten Wladimir Putin kein Hinweis auf einen solchen Tweet Lauterbachs. Weder in der «Wayback Machine» des «Internet Archive» noch auf «archive.today» gibt es seit dem 24. Februar 2022, dem Tag des Kriegsbeginns, derartige Archivierungen.

Es handelt sich bei dem angeblichen Screenshot mutmaßlich vielmehr um eine Montage: Der Text sieht anders aus, als er in vielen Browsern und auf vielen Smartphones bei einem tatsächlichen Tweet dargestellt würde. Unter anderem die Schriftart, der Zeilenabstand und die Position des Zeilenbeginns links legen das nahe. Unten links unter dem mutmaßlich mit Foto-Software eingefügten Text zudem dunkle Flecken zu erkennen - möglicherweise Reste eines Lauterbach-Tweets, der als Vorlage genutzt wurde.

Lauterbach hat seit dem 24. Februar aber tatsächlich über Demonstrationen gegen den russischen Angriff getwittert. Am 27. Februar veröffentlichte er ein Selfie, das ihn auf der großen Friedensdemonstration im Berliner Tiergarten zeigt. Andere Nutzer warfen ihm daraufhin Doppelstandards vor, weil Lauterbach in der Vergangenheit mit dem Verweis auf die Corona-Ansteckungsgefahr von der Teilnahme an Großdemonstrationen abgeraten hatte.

Einige der Aussagen stammen jedoch nachweislich aus anderen Phasen der Pandemie: Eine Überschrift etwa bezieht sich auf eine Großdemonstration gegen Rassismus in Berlin im Sommer 2020. Bei Vergleichen mit aktuellen Demonstrationen müssen verschiedene Dinge berücksichtigt werden: etwa die jeweils vorherrschenden Corona-Varianten, der mittlerweile bei vielen Menschen vorhandene Impfschutz und die zum jeweiligen Zeitpunkt geltenden staatlichen Infektionsschutzmaßnahmen.

Aufnahmen legen nahe, dass sich zumindest ein großer Teil der Menschen auf der Berliner Friedensdemonstration am 27. Februar an die geltende Maskenpflicht hielt.

(Stand: 4.3.2022)

Links

Twitter-Account von Karl Lauterbach (archiviert)

Twitter-Suche nach dem Wortlaut (archiviert)

Suche im «Internet Archive»

Suche auf «archive.today»

Lauterbach-Tweet von Demonstration am 27.2.2022 (archiviert)

dpa-Bericht über Demonstration (27.2.2022) (archiviert)

Kritik an Lauterbach auf Twitter (28.2.2022) (archiviert)

Artikel mit Lauterbach-Aussagen über Großdemonstration (14.6.2020) (archiviert)

«Tagesspiegel»-Video von der Demonstration am 27.2.2022 (archiviert)

Beitrag auf Facebook (archiviert)

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