Sterilisation von Teststäbchen mit Ethylenoxid - Grenzwerte weit unterschritten

09.03.2022, 14:59 (CET)

Die Chemikalie Ethylenoxid ist gesundheitsschädlich. Immer wieder müssen Lebensmittel zurückgerufen werden, die mit dem Stoff belastet sind. Eine im Netz verbreitete Laboranalyse (archiviert) soll nun beweisen, dass die Abstrichstäbchen der Corona-Schnelltests angeblich gefährlich viel Ethylenoxid und dessen Abbauprodukt 2-Chlorethanol enthielten. Die Werte überträfen «in jeglicher Hinsicht den Grenzwert», heißt es. Jede Schule, die damit Kinder teste, mache sich strafbar.

Bewertung

Falsch. Die zulässigen Grenzwerte werden weit unterschritten. Die Teststäbchen enthalten geringe Rückstände der Stoffe, weil Ethylenoxid zur Sterilisation von Medizinprodukten eingesetzt wird.

Fakten

Der verbreitete Analysebericht stammt von der Schweizer Firma Biolytix. Auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa) teilte Geschäftsführer Adrian Härri mit, das Unternehmen habe «die Probenvorbereitung (Probenpooling) genau nach Anweisung des Kunden durchgeführt und die Messungen in einem dafür spezialisiertem Partnerlabor durchführen lassen.»

Die Sterilisation von Medizinprodukten mit dem farblosen, giftigen und hochentzündlichen Gas Ethylenoxid ist ein Standardverfahren, das viele Unternehmen anbieten. «Im Umgang mit diesem Stoff [sind] besondere Sicherheitsvorkehrungen zu beachten», heißt es von einer Firma, die das Verfahren durchführt und ausführlich erklärt. Weil nach dem Vorgang geringe Rückstände des Stoffs zurückbleiben, sind in einer entsprechenden Norm Grenzwerte festgelegt.

Welche Grenzwerte gelten?

Der Norm «DIN EN ISO 10993-7» über Sterilisationsrückstände von Ethylenoxid zufolge ist bei einem Kontakt von bis zu 24 Stunden ein Grenzwert von 4 Milligramm Ethylenoxid zugelassen. Der Deutschen Presse-Agentur (dpa) liegt die Norm vor, sie wird zudem hier zitiert.

Der zweite in dem Biolytix-Analysebericht genannte Stoff ist 2-Chlorethanol oder Ethylenchlorhydrin, ein Abbauprodukt von Ethylenoxid. Der Grenzwert für den Kontakt mit Rückständen dieses Stoffes liegt nach der DIN-Norm bei 9 Milligramm in einem Zeitraum von bis zu 24 Stunden.

Welche Werte nennt die verbreitete Biolytix-Analyse?

In dem Bericht der Schweizer Firma steht ein gemessener Wert von «4,2 mg/kg», also Milligramm pro Kilogramm des untersuchten Materials. Da ein solches Teststäbchen aber nicht ein Kilogramm, sondern nur wenige Gramm wiegt, ist auch die entsprechend enthaltene Menge Ethylenoxid deutlich geringer. Von 2-Chlorethanol sind in der Analyse 0,53 Milligramm pro Kilogramm gefunden worden.

Aus dem bloßen Bericht ist allerdings nicht erkenntlich, dass der Kontakt mit dem Ethylenoxid-Rest auf den Stäbchen zeitlich nur einen minimalen Bruchteil von 24 Stunden ausmacht.

Was sagen Experten?

Die dpa hat die Biolytix-Analyse dem TÜV Süd vorgelegt, der in Deutschland Medizinprodukte und auch Corona-Tests zertifiziert und dabei auch auf Schadstoffe wie Ethylenoxid untersucht. Diese entspricht dem TÜV zufolge «nicht den Standards für einen ordentlichen Bericht». Es sei beispielsweise nicht beschrieben, welche Bestandteile des Antigen-Schnelltest-Kits tatsächlich untersucht wurden.

Der TÜV hat die Angaben der DIN-Norm, die sich auf 70 Kilogramm schwere Personen beziehen, heruntergerechnet auf ein Schulkind mit 30 Kilogramm Gewicht. Demnach liegt dessen Limit für den Kontakt mit Ethylenoxid bei etwa 1,7 Milligramm in einem Zeitraum von 24 Stunden. Rechnerisch könne das Schulkind also «circa 190 Wattestäbchen für 23:59:59 Stunden im Mund lutschen und läge immer noch unter dem Grenzwert», heißt es vom TÜV.

Bei einer Probenentnahme wird mit dem Wattestäbchen etwa Speichel von der Schleimhaut aufgenommen. Die Experten wiesen darauf hin, dass ein Teststäbchen «aufgrund der kurzen Einwirkzeit und aufgrund einer normalerweise intakten Schleimhaut eher keine Stoffe dahin abgeben kann».

(Stand: 9.3.2022)

Links

Bundesportal Lebensmittelwarnung.de mit Meldungen über Rückrufaktionen (archiviert)

Internetseite der Analysefirma Biolytix (archiviert)

Ufag Laboratorien über Medizinprodukte-Sterilisation (archiviert)

Norm «DIN EN ISO 10993-7» über Ethylenoxid-Rückstände in Medizinprodukten (kostenpflichtig) (archiviert)

TÜV Süd zur Zertifizierung von Medizinprodukten (archiviert)

Facebook-Post mit Biolytix-Analysebericht (archiviert)

Kontakt zum dpa-Faktencheckteam: faktencheck@dpa.com