Arzneimittelagentur: Auffrischungsimpfung ist wichtig - Warnung bezieht sich auf langfristige Strategie

21.01.2022, 14:00 (CET)

Während in Deutschland im Januar 2022 die Zahl der Infektionen mit der Omikron-Variante rasant wächst, beschäftigen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit der Frage, ob und wann eine zweite Auffrischungsimpfung gegen Covid-19 sinnvoll ist. In einigen Ländern wird diese bereits verabreicht. Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) legte jüngst bei einer Pressekonferenz ihre Einschätzung zu Auffrischungsimpfungen dar. Angeblich habe sie dabei erklärt, dass sie diese nicht empfehle, wird nun behauptet (archiviert).

Bewertung

Das ist irreführend: Die Aussagen eines EMA-Experten wurden aus dem Zusammenhang gerissen und unzulässig verallgemeinert. Die Arzneimittelagentur warnte nicht grundsätzlich vor der Auffrischungsimpfung. Ganz im Gegenteil: Sie betonte, wie wichtig sie in der aktuellen Situation sei. Allein weitere Booster-Impfungen sollten langfristig in größeren Abständen gegeben werden.

Fakten

Bei der Online-Pressekonferenz der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) am 11. Januar 2022 erläuterte der Leiter der Abteilung «Biologische Gesundheitsgefahren und Impfstrategie», Marco Cavaleri, die Bedeutung der Auffrischungsimpfung - konkret: einer dritten Dosis. «Es wird zunehmend klar, dass Booster-Impfungen gebraucht werden, um die Schutzwirkung der Impfung und ihre Effektivität zu verlängern, weil diese mit der Zeit abnehmen», so der Experte (ab 05:56 im Video). Daten zur Wirkung zeigten, dass die Auffrischungsimpfung die Immunantwort stärke; sie stelle den Schutz wieder her oder erweitere ihn sogar.

Der EMA lägen indes noch keine ausreichenden Daten zur Wirkung einer vierten Dosis vor. Diese brauche sie, um hierzu eine Empfehlung auszusprechen, sagte Cavaleri weiter (ab 13:31). Anschließend warnte er tatsächlich vor einer langfristigen Strategie, bei der alle drei oder vier Monate eine weitere Impfdosis verabreicht werde (ausgenommen: vulnerable Gruppen). Der Experte erläuterte zwei mögliche Probleme einer solchen (ab 22:51): Zum einen könne dann die Immunantwort nicht mehr so gut wie gewünscht sein - man dürfe das Immunsystem nicht mit einer wiederholten Immunisierung überfordern. Und zum anderen sieht Cavaleri das Risiko, dass Boostern in relativ kurzen Abständen die Bevölkerung ermüdet - und sie nicht mehr mitmacht.

Man könne nun eine oder möglicherweise auch zwei Auffrischungsimpfungen verabreichen. Doch wenn das Virus endemisch sei, sollten die Abstände zwischen den Boostern länger sein und idealerweise «mit dem Beginn der Erkältungssaison synchronisiert werden», erklärte Cavaleri. Endemisch bedeutet: Ein Erreger tritt in einer bestimmten Region oder Bevölkerung immer wieder auf. In der Regel herrscht dann eine breite Grundimmunität in der Bevölkerung.

Zusammengefasst: Es stimmt nicht, dass die EMA die Auffrischungsimpfung nicht empfiehlt. Sie wies vielmehr auf deren Wichtigkeit in der aktuellen Situation hin. Eine langfristige Strategie könne und solle jedoch nicht auf Booster alle drei oder vier Monate setzen.

(Stand: 20.01.2022)

Links

EMA-Pressekonferenz - 11. Januar 2022

Twitter-Beitrag mit irreführender Behauptung (archiviert)

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