Vergleich von Strafen für die Fälschung von Impfpässen und falschen Angaben von Migranten beruht auf falschen Annahmen

17.11.2021, 17:11 (CET)

In der Diskussion um Corona-Impfungen und entsprechende Nachweise wird in einem Beitrag (archiviert) eine angebliche Schieflage beklagt: Für das Fälschen von Impfpässen gebe es in Deutschland «neuerdings Strafen» - nicht aber «für gefälschte Identitäten, Zeugnisse und Altersangaben bei Migranten». Stimmt das?

Bewertung

Das Aufenthaltsgesetz sieht Geld- oder Freiheitsstrafen vor, wenn Menschen aus dem Ausland unrichtige oder unvollständige Angaben machen, um einen Aufenthaltstitel in Deutschland zu bekommen. Ausnahmen gibt es lediglich für Asylbewerber, da sie nicht unter das Aufenthaltsgesetz fallen.

Fakten

Sammelbegriffe wie «Migrant» beschreiben auf Deutschland bezogen in der Regel Ausländer, die ins Land kommen. Das geschieht auf ganz unterschiedlichen Wegen. Eine Möglichkeit für Menschen aus Nicht-EU-Staaten ist neben Visa für einen bestimmten Zeitraum ein sogenannter Aufenthaltstitel, der zum Beispiel das Arbeiten in Deutschland ermöglicht.

Eine andere Form der Migration nach Deutschland stellen Asylbewerber dar, also Ausländer, die Asyl in Deutschland beantragen und angeben, in ihrer Heimat zum Beispiel politisch oder religiös verfolgt zu werden.

Fragen zu Aufenthaltstiteln werden im Aufenthaltsgesetz geregelt. Darin geht es in Paragraf 95 auch um gefälschte Dokumente und falsche oder nicht vollständige Angaben gegenüber den Behörden. Das Gesetz sieht in solchen Fällen Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren oder Geldstrafen vor, wie auch die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags schreiben. Die pauschale Aussage, dass es für Migranten im Fall von gefälschten Identitäten, Zeugnissen und Altersangaben keine Strafen gebe, ist also falsch.

Straffrei bleiben hingegen in der Regel Asylbewerber, die in ihrem Asylverfahren falsche oder unvollständige Angaben zu ihrer Person machen. Wie etwa das Innenministerium von Baden-Württemberg schreibt und auch Gerichte bestätigt haben, fällt der rechtliche Status von Asylbewerbern nicht unter das Aufenthaltsgesetz. Somit findet auch die dort vorgesehene Strafbarkeit keine Anwendung.

Im Jahr 2019 war das Bundesinnenministerium mit einem Vorstoß gescheitert, falsche Angaben auch in Asylverfahren unter Strafe zu stellen. Das zuständige Bundesamt kann laut Asylgesetz aber ein sogenanntes beschleunigtes Verfahren anwenden, wenn ein Asylbewerber falsche Angaben macht oder falsche Dokumente verwendet.

Die Aussage im Facebook-Beitrag, in Deutschland gebe es «neuerdings Strafen für gefälschte Impfpässe», ist ungenau. Tatsächlich ist die Fälschung von Gesundheitsdokumenten, wozu Impfpässe gezählt werden können, nicht erst seit der Corona-Pandemie oder der entsprechenden Impfkampagne strafbar. Im Strafgesetzbuch wird eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe genannt - auch in Archivversionen.

Nach einem Beschluss des Landgerichts Osnabrück Ende Oktober kamen jedoch Diskussionen auf, ob das Vorlegen eines gefälschten Impfpasses in einer Apotheke überhaupt strafbar ist. Das Gericht unterschied zwischen Apotheken, die die Impfpässe prüfen und dann digitale Impfzertifikate ausstellen, und Behörden, auf die sich das Gesetz beziehe, und sprach von einer möglichen «Strafbarkeitslücke». Das Thema beschäftigt inzwischen auch den Bundestag, sodass eine Verschärfung der Regeln möglich scheint.

(Stand: 17.11.2021)

Links

Begriffserklärung «Migrant» (archiviert)

Begriffserklärung «Asylbewerber» (archiviert)

Bundesamt für Migration und Flüchtlinge über Aufenthaltstitel (archiviert)

§ 95 Aufenthaltsgesetz (archiviert)

Wissenschaftliche Dienste des Bundestags über Strafbarkeit (archiviert)

Innenministerium Baden-Württemberg über § 95 AufenthG und Asyl (archiviert)

Bayerisches Oberlandesgericht zum selben Thema (archiviert)

«Welt»-Artikel über Streit um Asylrechtsverschärfung (archiviert)

§ 30a Asylgesetz über beschleunigte Verfahren (archiviert)

§ 277 Strafgesetzbuch über Gesundheitszeugnisse (archiviert)

§ 277, Version aus dem Jahr 2013

Pressemitteilung des Landgerichts Osnabrück (28.10.2021) (archiviert)

Stellungnahme für den Bundestag zu § 277 StGB (12.11.2021) (archiviert)

Beitrag auf Facebook (archiviert)

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