Patent soll sinnvolle Impf-Reihenfolge im Pandemiefall ermöglichen

22.10.2021, 11:33 (CEST)

Nach wie vor wollen sich viele Menschen nicht impfen lassen, weil sie den Covid-Impfungen misstrauen. In einem Facebook-Post wird etwa der Screenshot eines Blog-Artikels verbreitet (archiviert). Darin heißt es, es gebe ein Patent, mit dem in Zukunft «Gen-Gespritzte» mittels Künstlicher Intelligenz überwacht werden sollen. Worum geht es in dem angesprochenen Patent tatsächlich?

Bewertung

Es geht darum, eine sinnvolle Impf-Priorisierung während einer Pandemie zu erstellen. Kriterien sind individuelle Faktoren wie persönliche Kontakte, Beruf oder Gesundheitszustand. Mit Hilfe elektronischer Geräte, zum Beispiel mit einer Smartphone-App, wird eine Punktzahl erhoben. Die Daten sollen anonymisiert und/oder verschlüsselt werden. Es geht also nicht darum, Menschen mit Hilfe implantierter Chips zu überwachen.

Fakten

Der Screenshot stammt von der alten Version eines Artikels der österreichischen Internetseite «Wochenblick». Dort ist in der Überschrift noch von «Chip-Überwachung» die Rede, in der aktualisierten Fassung nur noch von «Überwachung».

Der Artikel bezieht sich auf ein Interview mit einer angeblichen Ex-Mitarbeiterin des Pharmakonzerns Pfizer. Das im Artikel thematisierte Patent existiert tatsächlich. Es ist in der Datenbank des US-Patentamts United States Patent and Trademark Office (USPTO) abrufbar und wurde im November 2020 von den beiden Gründern der israelischen Kanzlei «Ehrlich & Fenster» eingereicht.  

Aus der Kurzbeschreibung des Patentantrags («abstract») auf Seite 1 des Dokuments ergibt sich, dass es hier nicht um die Überwachung von Geimpften geht. Es geht allein darum, bei einer Pandemie durch die Auswertung von Daten «elektronischer Geräte» festzustellen, welche Menschen möglichst früh geimpft werden sollten, um die Krankheit einzudämmen. Dazu soll eine anonyme «User ID» generiert werden.

Im Patent-Text ist zumeist von einer «Behandlung» («treatment») und nicht explizit von einer Impfung die Rede. Das liegt daran, dass Patenthalter möglichst viele Szenarien mit ihrer Idee abdecken wollen und deshalb möglichst allgemeine Begriffe verwenden.

Mittels eines «superspreading score» - also einer Punktezahl, die angibt, wer andere am meisten ansteckt - soll entschieden werden, welche Menschen zuerst eine «Behandlung» erhalten. Dabei geht es um «kritische Gruppen» wie etwa Gesundheitspersonal. Je höher der «score», desto höher das «Potential» für ein Individuum, die Krankheit weiterzugeben. Umso schneller müssten die Betroffenen dann auch geimpft oder getestet werden.

Eine hohe Punktezahl wird unter anderem durch viele persönliche Kontakte erreicht. Es gibt aber noch weitere Faktoren, die den «score» ergeben - etwa den Beruf eines Menschen, Bevölkerungseigenschaften, medizinische Daten, besuchte Orte oder Informationen von Dritten. All das soll zum Beispiel in einer App gesammelt und ausgewertet werden und schließlich die Punktezahl ergeben.

Dem Patent zufolge würden die Daten dabei anonymisiert, damit sie nicht auf einzelne Personen zurückgeführt werden können. Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass eine Diagnose ohne Arzt erfolgen könnte und in der App auch «Wertesysteme oder politische Einstellungen» sichtbar wären.

Anders als im Blog-Artikel beschrieben geht es in dem Patent also nicht darum, dass Geimpfte  «überwacht» werden sollen. Genauso wenig erweckt das Patent den Eindruck, als würde mit einer Impfung etwas anderes als nur die «Vermeidung von Krankheiten» bezweckt.

Alle Corona-Impfstoffe wurden in der EU vor ihrer Zulassung umfangreich auf Sicherheit und Wirksamkeit getestet und werden weiter überwacht. Eingriffe in das Erbgut durch mRNA-Impfstoffe sind unmöglich. Dazu gibt es bereits mehrere dpa-Faktenchecks (hier, hier).

(Stand: 21.10.2021)

Links

Facebook-Post (archiviert)

archivierte ursprüngliche Fassung des Wochenblick-Artikels

Wochenblick-Artikel (archiviert)

Interview mit Karen Kingston (archiviert)

Patent 20210082583 (archiviert)

Kurzbiographie von Gal Ehrlich auf der Kanzlei-Seite (archiviert)

Kurzbiographie von Maier Fenster auf der Kanzlei-Seite (archiviert)

dpa-Faktencheck zu Zulassung und Sicherheit von Corona-Impfstoffen in EU

dpa-Faktencheck zu mRNA-Impfung und Erbgut

Kontakt zum dpa-Faktencheckteam: faktencheck@dpa.com