Straßenbau und Kohleförderung betreffen größere Waldflächen als Windenergieanlagen

26.08.2021, 19:30 (CEST)

Seit einigen Wochen schon sind die politischen Vorhaben der Grünen Zielscheibe einer bundesweiten Schmäh-Kampagne namens «Grüner Mist». Auf Plakaten, die in mehreren Dutzend deutscher Städte prangen, sowie in den sozialen Medien warnen die weitgehend unbekannten Initiatoren vor einer vermeintlichen «Ökodiktatur». So heißt es auf einem Banner, das derzeit auch im Internet Verbreitung findet: «Umweltzerstörung durch Windradmonster». Im flankierenden Posting (archiviert) wird behauptet: «Windrad-Monster sind die größten Wald-Killer!» Tausende gesunde und für den Klima-Stoffwechsel so wichtige Bäume müssten für die Windräder weichen. 

Bewertung

Dem Ausbau von Straßen und Braunkohle-Tagebauten fallen jedes Jahr größere Waldflächen zum Opfer als Windrädern. Der Bau von Windenergieanlagen in Wäldern ist nur in knapp der Hälfte der deutschen Bundesländer zulässig und dort vornehmlich in reinen Wirtschaftswäldern gestattet, deren ökologische und Klimafunktion begrenzt ist.

Fakten

Seit den 1990er Jahren wurden in großer Zahl Windenergieanlagen in Deutschland gebaut, die inzwischen 17 Prozent unseres Stroms liefern. Von den aktuell rund 28 000 Anlagen in Deutschland stehen (Stand: Ende 2020) knapp 2100 in Wäldern - sieben Prozent. 

Die im Netz verbreitete Behauptung, Windräder seien damit die «größten Waldkiller», ist nicht nachvollziehbar. Der Bau eines Windrades (Infrastruktur wie Zufahrtswege eingeschlossen) führt zur dauerhaften Umwandlung von durchschnittlich 0,46 Hektar Waldfläche pro Anlage.

Im vergangenen Jahr 2020 etwa wurden in Deutschland 66 Anlangen errichtet, was damit zu einer «Versiegelung» von knapp 33 Hektar Wald führte. Im gleichen Zeitraum wurden allein für den Weiterbau der Autobahn A49 27 Hektar Wald gerodet; insgesamt werden dafür 85 Hektar Wald weichen. Für die «Gigafactory» von Tesla, die nahe Berlin entsteht, wurden parallel 90 Hektar Wald gefällt, weitere 100 folgen - um nur zwei Beispiele zu nennen. Eine umfassende Auflistung von Projekten, die Waldumwandlungen bedingen, liegt nicht vor. 

Dirk Sudhaus, Forschungskoordinator der «Fachagentur Windenergie an Land» erläutert gegenüber der Deutschen Presseagentur (dpa): Alle Wald-Windanlagen in Deutschland zusammengenommen, hätten im vergangenen Jahrzehnt zu einer «Versiegelung» von insgesamt 957 Hektar Wald geführt.

«Eine Fläche von dieser Größe wurde in der Vergangenheit alle 15 Monate im Zuge der Braunkohleförderung in Deutschland abgebaggert», so Sudhaus. Und vielfach seien dabei auch Waldflächen betroffen gewesen - wie etwa am weithin bekannten Hambacher Forst deutlich werde. Durch die Ausweitung des Braunkohlereviers «Garzweiler II» ist der einst über 4000 Hektar große, alte Mischwald auf heute 200 Hektar geschrumpft. «Dass Windräder Hauptmotor für Waldumwandlung sind, stimmt damit eindeutig nicht», so Sudhaus.

Aktuell ist es in nur sieben der 16 deutschen Bundesländer gestattet, Windenergieanlagen im Wald zu errichten - stets in Abhängigkeit vom jeweiligen Waldanteil. Länder wie Hessen oder Rheinland-Pfalz etwa, deren Landesfläche zu über 40 Prozent bewaldet ist, müssten in den Wald gehen, um Windkraft - eine der wesentlichen Säulen der Energiewende - zu verwirklichen, so Sudhaus.

Der Experte weist gegenüber der dpa aber darauf hin, dass Windenergieanlagen in aller Regel in reinen Wirtschaftswäldern errichtet würden, also Fichten- oder Kiefernmonokulturen, nicht in ökologisch wertvollen und dadurch geschützten artenreichen Mischwäldern. Vielfach dienten zudem von Stürmen oder Schädlingen zerstörte Flächen als Standorte. 

Die Behauptung, Tausende Bäume müssten eigens für Windkraft weichen, entbehre darum ebenfalls der Datengrundlage: «Die Anzahl der Bäume pro Hektar schwankt je nach Alter und Zustand der Waldfläche enorm.»

Im Übrigen: Wird Wald umgewandelt, sei es bei Windkraft- oder Straßenbauprojekten, müssen diese Eingriffe großzügig durch Aufforstungen kompensiert werden, so sehen es die Waldgesetze der Länder vor. Auch dies führt dazu, dass der deutsche Wald insgesamt nicht schrumpft, sondern jährlich um rund 6000 Hektar wächst. 

(Stand: 26.8.2021)

Links

Kampagne «Grüner Mist» (archiviert)

BMWi über Windkraft als Energieträger (archiviert)

Analyse zu «Windenergie an Land» (archiviert)

Analyse zu «Windenergie im Wald» (archiviert

Berichterstattung über Weiterbau der A49 (archiviert)

Berichterstattung über Bau der Gigafactory/Tesla (archiviert)

«Handelsblatt»-Artikel über Tesla (kostenpflichtig) (archiviert)

Informationen zum Hambacher Forst (archiviert)

UBA über Zunahme der Waldfläche (archiviert)

Posting auf Facebook (archiviert)

Kontakt zum dpa-Faktencheckteam: faktencheck@dpa.com