Bild ist von 2019 und zeigt Delegierte des großen afghanischen Rates

25.08.2021, 15:22 (CEST)

Mitte August haben die militant-islamistischen Taliban die afghanische Hauptstadt Kabul erobert und damit auch die Macht im Land übernommen. Viele befürchten, dass die Taliban wieder ein islamisches «Emirat» errichten wollen, wie bereits vor mehr als 20 Jahren. Damals wurden vor allem Frauen und Mädchen stark durch das Regime unterdrückt. Mit der Verbreitung eines Bildes wird auf Facebook nun behauptet (hier archiviert), dass die Taliban Frauen eingeladen haben, sich an der künftigen Regierung zu beteiligen. Aber stimmt das?

Bewertung

Dieses Bild ist nicht im Zusammenhang mit der Regierungsbildung der Taliban entstanden. Das entsprechende Bild stammt von einer politischen Versammlung aus dem Jahr 2019 als die afghanische Regierung noch an der Macht war.

Fakten

Das verwendete Bild wurde bei einer Sitzung des großen Rates Afghanistans «Loja Dschirga» am 3. Mai 2019 aufgenommen. Die darauf zu sehenden Frauen waren Teil von etwa 3200 Delegierten, die in unregelmäßigen Abständen zusammenkommen, wenn Entscheidungen mit großer Tragweite in Afghanistan getroffen werden müssen. Zu dieser Zeit war noch der afghanische Präsident Ashraf Ghani im Amt. Bei der Versammlung, bei der das Foto entstanden ist, wurde unter anderem über Friedensgespräche mit den Taliban gesprochen. Nach Angaben von Medienberichten sollen etwa 30 Prozent der Delegierten bei diesem Treffen, Frauen gewesen sein.

Ob die Taliban Frauen eingeladen haben oder einladen werden, an der Regierungsarbeit teilzunehmen wie der Facebook-Post suggeriert, dafür wurden bisher keine Belege gefunden. Expertinnen und Experten gehen jedoch davon aus, dass die Taliban derzeit eine breit angelegte Kampagne auffahren, mit der sie der Welt ein gemäßigteres Gesicht zeigen wollen.

Zwischen 1996 und 2001 waren die Taliban bereits in großen Teilen Afghanistans an der Macht. In dieser Zeit war das Regime vor allem für die Unterdrückung von Frauen und Mädchen bekannt. Das Tragen einer Burka, einer Ganzkörperverschleierung, war Pflicht, Frauen durften nicht arbeiten, Mädchen war Bildung größtenteils verwehrt und Frauen durften ohne einen männlichen Verwandten/Begleiter nicht das Haus verlassen. Ihnen wurde die öffentliche Teilhabe verwehrt. Hielten sie sich nicht an die Vorgaben, drohten ihnen Gewalt oder sogar die Todesstrafe.

Nach der erneuten Machtübernahmen, befürchten nun viele, dass diese radikalen Regeln zurückkommen werden. Der Sprecher der Taliban hat laut Medienberichten zwar angekündigt, gemäßigter vorzugehen und unter anderem die Rechte von Frauen «im Rahmen des islamischen Rechts» zu respektieren. Berichte in Sozialen Medien deuten jedoch darauf hin, dass die Taliban an ihrem Kurs wenig geändert haben. Unter anderem hatte eine bekannte afghanische Fernsehjournalistin berichtet, dass sie nach der Machtübernahme der Taliban wieder nach Hause geschickt wurde, als sie ins Fernsehstudio zur Arbeit wollte.

Die erste Machtübernahme der Taliban wurde 2001 durch ein Eingreifen der internationalen Gemeinschaft unter der Führung der USA beendet. Damit verbesserte sich auch die Situation der afghanischen Frauen, da die Unterstützung der Truppen, an Bedingungen für die afghanische Regierung geknüpft war, schreibt die Heinrich Böll Stiftung in einem Bericht. Gleichberechtigung und Bildung für Frauen wurden in Gesetzen verankert.

(Stand: 24.08.2021)

Links

Facebook-Post (archiviert)

Bild in Online-Artikel (archiviert)

Medienbericht zu afghanischer Versammlung 2019 (archiviert)

Artikel über Taliban-Herrschaft (archiviert)

Einschätzung zu Taliban-Machtübernahme (archiviert)

Erste öffentliche Pressekonferenz des Taliban-Sprechers (archiviert)

Bericht über Frauen in Afghanistan (archiviert)

Bericht der Heinrich Böll Stiftung (archiviert)

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