Virologe Drosten wurde deutlich häufiger zitiert als der mit ihm verglichene Mikrobiologe

War Virologie-Professor Christian Drosten bis zur Corona-Pandemie als Wissenschaftler in Fachkreisen kaum beachtet? Der emeritierte Professor für medizinische Mikrobiologie und Hygiene, Sucharit Bhakdi, hingegen schon? Das wird in einem auf Facebook geteilten Video (hier archiviert) behauptet. Als angebliche Belege dafür werden zwei Zettel mit Balkendiagrammen verglichen, die zeigen sollen, wie oft die beiden zitiert wurden.

Bewertung

Das ist falsch. Christian Drostens Veröffentlichungen sind deutlich häufiger von anderen Wissenschaftlern zitiert worden als die von Sucharit Bhakdi - auch vor 2020. Die Balkendiagramme im Video haben unterschiedliche Maßstäbe und sind nicht vergleichbar.

Fakten

Christian Drosten ist der Leiter der Virologie der Berliner Charité. Seine Arbeitsgruppe war maßgeblich an der Entwicklung des ersten Nachweisverfahrens für Sars-CoV-2 beteiligt. Sucharit Bhakdi ist emeritierter Professor für Mikrobiologie und Hygiene. Einige seiner Thesen zur Covid-Pandemie wurden von Experten - etwa seines ehemaligen Instituts an der Universität Mainz - als irreführend bis falsch eingeordnet.

Im geteilten Video lässt sich die Schrift auf dem Papier abgesehen von den Namen der beiden Wissenschaftler kaum entziffern. Die sichtbaren Balken, auf die sich der Sprecher bezieht, entsprechen aber den Balkendiagrammen auf den Google-Scholar-Profilen der beiden Wissenschaftler - hier Drosten und hier Bhakdi. Google Scholar ist Googles Suchmaschine und Datenbank für wissenschaftliche Texte, also zum Beispiel für Artikel in wissenschaftlichen Fachzeitschriften, Doktorarbeiten, Berichte von Fachkonferenzen oder wissenschaftliche Bücher. Außerdem können Wissenschaftler dort Profile erstellen.

Die gezeigten Balken stellen nicht den h-Index dar, wie der Sprecher im Video behauptet, sondern die Zahl der Zitierungen nach Jahren. Der h-Index ist eine Kennzahl für die weltweite Wahrnehmung eines Wissenschaftlers in Fachkreisen. Stellt man die beiden Diagramme nebeneinander, dann sieht es so aus, als sei Christian Drosten vor 2020 nicht sehr häufig zitiert worden - Sucharit Bhakdi hingegen schon. Schaut man aber auf die über den Balken eingeblendeten Zahlen, erkennt man, dass die Diagramme unterschiedliche Maßstäbe haben und deshalb nicht vergleichbar sind.

Im Video sind die exakten Zahlen nicht zu entziffern. Man erkennt jedoch, dass neben der Tabelle auf Christian Drostens Profil eine fünfstellige Zahl und neben der mit dem Namen Sucharit Bhakdi eine vierstellige steht.

Da Drosten im Jahr 2020, nach dem Auftreten der Corona-Pandemie, 30 214 Mal zitiert wurde, erscheinen die anderen Balken daneben extrem klein. Bei Bhakdi hingegen schwanken die Zitierungen weniger stark, sodass seine Balken aus den Jahren vor 2020 konstant relativ hoch aussehen. Doch Bhakdi ist in seinem stärksten Jahr 2015 gerade einmal 872 Mal zitiert worden, Drosten dagegen im selben Jahr 3361 Mal (Stand: 14. Juni 2021, 17 Uhr).

Aus diesen Zitierungen errechnet sich der in dem Video erwähnte sogenannten h-Index. Dieser ist ein anerkanntes Maß für die Bedeutung eines Wissenschaftlers. Die Logik dahinter: Je häufiger jemand von anderen Wissenschaftlern zitiert wird, desto wichtiger ist er in seinem Fach. Neben Google Scholar gibt es auch andere wissenschaftliche Datenbanken, mit denen sich der h-Index berechnen lässt. Gemessen an den Einträgen bei Google Scholar liegt Drostens h-Index bei 118 und der Bhakdis bei 85.

(Stand: 14.06.2021)