Kein Statistikbetrug: Mehrfachzählung kann bei Verlegung von Intensivpatienten zwischen zwei Kliniken vorkommen

15.04.2021, 17:59 (CEST)

Die Zahl der Covid-19-Patienten auf den Intensivstationen steigt und Mediziner warnen vor einer Überlastung. Das wird in sozialen Medien zum Anlass genommen, Veröffentlichungen des Divi-Intensivregisters unter die Lupe zu nehmen. In einem Tweet, der auch auf Facebook geteilt wird, heißt es: «Mehrfachzählung auch im DIVI-Intensivregister!». Diese sollen folgendermaßen auftreten: «Verlegungen von Patienten innerhalb einer Klinik werden wie «Neuaufnahmen» gezählt». In Kommentaren ist auf Facebook von «Statistikbetrügereien» die Rede (archiviert) oder es wird unterstellt, durch Mehrfachzählungen würde die Zahl von Intensivpatienten künstlich in die Höhe getrieben.

BEWERTUNG: Der Beitrag ist irreführend und teilweise falsch, von Statistikbetrug kann keine Rede sein. Das Divi-Intensivregister macht transparent, wo es in der Statistik zu Mehrfachzählungen kommen kann. Nach Angaben einer Sprecherin betreffen diese aber keine Verlegungen innerhalb einer Klinik, sondern zwischen zwei Kliniken - etwa wenn eine Intensivstation überlastet ist.

FAKTEN: Die Belegung der Intensivstationen in den deutschen Krankenhäusern wird seit April 2020 in einem Register des Robert-Koch-Instituts (RKI) und der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) abgebildet.

In deren täglichen Tagesreports findet sich der Hinweis auf mögliche Mehrfachzählungen: In der Zahl der neu aufgenommenen Covid-Intensivpatienten sind auch neu verlegte Patienten enthalten. «Aufgrund von Verlegungen von Patient*innen von einer ITS zur Weiterbehandlung auf eine andere ITS kann pro Patient mehr als eine Behandlung gemeldet werden», heißt es dort. ITS steht für Intensivstation.

Gezählt werden also eher Intensivbehandlungen statt Patienten - ein Patient oder eine Patientin erhält in zwei Kliniken eine Behandlung, es werden zweimal Arbeitszeit des medizinischen Personals oder Material aufgewandt. Das wird in dem Bericht auch an drei Stellen transparent erklärt. Anders als im kursierenden Tweet behauptet, geht es aber nicht in erster Linie um Verlegungen innerhalb von Kliniken. «Es kann eigentlich nur eine Mehrfachzählung bei der Verlegung zwischen zwei Kliniken geben», bestätigte eine Sprecherin des Divi-Intensivregisters der Deutschen Presse-Agentur (dpa).

Kliniken haben jedoch wenig Interesse daran, dass Intensivpatienten verlegt werden. «Das ist sehr aufwendig, die Patienten sind ja schwer erkrankt und infektiös», sagte eine Divi-Sprecherin der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Verlegungen seien deshalb teuer und belastend für den Patienten. Wenn sie passieren - so wie zurzeit nach Angaben der Divi-Sprecherin häufiger - ist das ein Zeichen für Überlastungen auf den Intensivstationen. Sie sind gezwungen, Platz zu schaffen.

Verzerren könnte die Mehrfachzählung der Behandlung allenfalls den prozentualen Anteil jener Covid-Intensivpatienten, die gestorben sind - denn ein Verstorbener kann ja nur einmal gezählt werden. Das wird in der Statistik berücksichtigt, gibt das Divi-Intensivregister an: «Aus diesem Grund werden die beiden Kennzahlen »Abgeschlossene Behandlungen« und »Verstorbene« nun differenziert und nicht mehr als Anteil voneinander berichtet», heißt es in dem Tagesreport.

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Links:

Tagesreport aus dem Divi-Intensivregister vom 8. April 2021: https://www.divi.de/joomlatools-files/docman-files/divi-intensivregister-tagesreports/DIVI-Intensivregister_Tagesreport_2021_04_08.pdf (archiviert: http://dpaq.de/6Y4jH)

Facebook-Beitrag mit der Behauptung (9. April 2021): https://www.facebook.com/photo/?fbid=1373868529656995&set=a.132273103816550 (archiviert: https://archive.ph/291OE)

Tweet mit der Behauptung: https://twitter.com/SHomburg/status/1380401549617340416 (archiviert: http://dpaq.de/IqI7o)

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