Berichte enthalten keine bestätigten Todesfälle nach Impfungen

19.02.2021, 15:51 (CET)

Es gebe nun «eine sichere Zahl»: Die gegen das Coronavirus eingesetzten Impfstoffe sollen mehr Todesfälle verursacht haben als Grippe-Impfungen. All das behauptet ein Artikel auf «Corona Transition» (hier archiviert) und verweist auf einen aktuellen Corona-Bericht der britischen Arzneimittelbehörde sowie auf Zahlen der Weltgesundheitsorganisation.

BEWERTUNG: Die Rechnung basiert auf falschen Annahmen. Die zitierten Berichte enthalten keine Zahlen zu Todesfällen, bei denen eine Impfung als Ursache bestätigt wurde - sondern lediglich Zahlen zu Fällen, bei denen es einen zeitlichen Zusammenhang gegeben hat oder ein solcher erwartet wurde. Dazu sammeln die Behörden etwa in Großbritannien großflächig Meldungen und suchen in den Daten nach statistischen Auffälligkeiten. Über Kausalzusammenhänge sagen die Zahlen jedoch nichts aus.

FAKTEN: Dem Artikel liegen mehrere falsche Annahmen zugrunde. Zunächst einmal ist die Gleichsetzung von Impfstoffen gegen Covid-19 mit dem Begriff «mRNA-Impfungen» falsch. Von den im Artikel erwähnten Impfstoffen nutzt nur das Präparat von Biontech/Pfizer diese Technologie. Astrazeneca hingegen setzt auf die schon länger genutzte Vektor-Methode, bei der ein anderes Virus als Träger für die Erbsubstanz des Coronavirus genutzt wird.

Der im Artikel zitierte Bericht der britischen Arzneimittelbehörde MHRA listet zudem, anders als auf «Corona Transition» impliziert, keine Nebenwirkungen der Impfstoffe auf - und dementsprechend auch keine Todesfälle, die behördlich bestätigt auf Impfungen zurückzuführen wären. Der Bericht ist zwar offiziell, stellt aber lediglich eine Übersicht von Verdachtsmeldungen dar.

Hintergrund ist ein Meldesystem, in dem sowohl medizinisches Personal als auch Laien Beobachtungen von Krankheits- oder Todesfällen einreichen können, die sie nach Impfungen beobachtet haben. Den Meldungen ist also zunächst einmal lediglich gemein, dass sie zeitliche Zusammenhänge zu Impfungen herstellen. Über konkrete Nebenwirkungen, also kausale Zusammenhänge, sagen sie hingegen erst einmal nichts aus.

Diese Beobachtungssysteme, in Großbritannien «Yellow Card» genannt, zielen vor allem darauf ab, mit statistischen Verfahren mögliche Nebenwirkungen zu erkennen. Die Meldungen werden im Hinblick auf die Frage ausgewertet, ob es Auffälligkeiten gibt - zum Beispiel Muster bei der Verbreitung bestimmter Symptome und Krankheitsbilder.

Bislang, so die MHRA, ist das nicht der Fall. Aus den Meldungen gehen demnach keine Muster hervor, die nicht auch ohne Impfungen zu erwarten gewesen wären. Auch nach einer wöchentlichen Aktualisierung am 18. Februar hat sich an dieser Einschätzung nichts geändert.

Der Versuch, aus dem Bericht eine Quelle für bestätigte Nebenwirkungen oder Todesfälle als kausale Folge von Corona-Impfungen zu machen, führt also in die Irre.

Gleiches gilt für das auf «Corona Transition» als Quelle angeblicher Zahlen zur Grippe herangezogene Handbuch zur Impfstoffsicherheit der Weltgesundheitsorganisation WHO. Zunächst einmal ist die Umschreibung «Grippeimpfung» ungenau, denn die WHO bezieht sich in der zitierten Passage auf ein breit angelegtes Impfprogramm gegen einen bestimmten Subtyp des Grippevirus H1N1, der sich 2009 weltweit als «Schweinegrippe» ausbreitete.

Auf «Corona Transition» wird behauptet, aus dem WHO-Bericht gehe hervor, dass es bei zehn Millionen Geimpften rund sechs Todesfälle gegeben habe. Aber auch in dieser Quelle ist nicht von kausalen Zusammenhängen die Rede.

Die von der WHO für Großbritannien genannten Zahlen haben zudem einen etwas anderen Hintergrund als die auf das Coronavirus bezogenen Angaben aus den «Yellow Card»-Meldungen: Die Zahl 5,75 für «sudden deaths», also Todesfälle in sehr kurzem zeitlichen Zusammenhang zu Impfungen, ist die erwartete («expected»), nicht die tatsächlich erhobene. Für diese Erwartung müssen Faktoren wie die Altersstruktur der Impfgruppe und bestehende Erkrankungen berücksichtigt werden.

Die Erwartung bezieht sich darüber hinaus ebenfalls nicht auf einen kausalen Zusammenhang, sondern auf unabhängig von Impfungen zufällig auftretende Todesfälle («unrelated coincidental events»). Auch hier ist also die Schlussfolgerung falsch, es gebe aufgrund von und unmittelbar nach Impfungen fast sechs Todesfälle in einer Gruppe von zehn Millionen geimpften Menschen.

Entsprechend lassen sich die britischen Zahlen und die WHO-Angaben nicht für einen Vergleich einer angeblichen «Letalität» von Impfstoffen miteinander verrechnen. Weder beschreiben sie erwiesene Nebenwirkungen, noch sind sie auf gleiche Weise ermittelt worden.

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Links:

Informationen zur Vektor-Methode von Astrazeneca: https://www.hr-inforadio.de/programm/das-thema/wie-der-astrazeneca-impfstoff-funktioniert,astra-zeneca-impfstoff-100.html (archiviert: https://archive.vn/5QMx0)

Wöchentlich aktualisierter MHRA-Bericht: https://www.gov.uk/government/publications/coronavirus-covid-19-vaccine-adverse-reactions/coronavirus-vaccine-summary-of-yellow-card-reporting (archivierte Version vom 11.02.2021: https://archive.vn/2IzBl; archivierte Version vom 18.02.2021: https://archive.vn/ss4Qn)

dpa-Faktencheck zum MHRA-Bericht: https://dpa-factchecking.com/germany/210216-99-467552/

«Yellow Card»-Meldesystem: https://yellowcard.mhra.gov.uk/ (archiviert: https://archive.vn/4mGKK)

WHO-Handbuch «Vaccine Safety Basics» (2013): https://www.who.int/vaccine_safety/initiative/tech_support/Vaccine-safety-E-course-manual.pdf (archiviert: http://dpaq.de/WFp8H)

Artikel auf «Corona Transition»: https://corona-transition.org/der-skandal-hat-jetzt-eine-sichere-zahl-mrna-impfungen-sind-40-mal-gefahrlicher (archiviert: https://archive.vn/RdKVc)

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