WHO hält PCR-Tests für verlässlich - keine Rücknahme der internationalen Notlage

05.02.2021, 16:58 (CET)

Hat die Weltgesundheitsorganisation WHO die Coronavirus-Pandemie für beendet erklärt - und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel gesagt, es gebe keine tödliche Pandemie und sämtliche staatlichen Maßnahmen seien obsolet? Das legt ein Artikel auf dem Portal «Watergate.tv» (hier archiviert) unter der Überschrift «WHO beendet Pandemie, Merkel macht weiter» nahe. Was steckt hinter den Behauptungen?

BEWERTUNG: Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat ihre Einschätzung zu einer gesundheitlichen Notlage von internationaler Tragweite nicht zurückgenommen. Die im Text erwähnte Informationsnotiz enthält lediglich Hinweise für Laborpersonal zum Umgang mit PCR-Tests. An deren Verlässlichkeit bei der Diagnose von Corona-Infektionen hat die WHO keine Zweifel, wie sie auf Nachfrage mitteilt. Dass die Bundeskanzlerin die Corona-Maßnahmen als politische Entscheidungen bezeichnet, steht dazu nicht im Widerspruch: Die Politik ist bei deren Verhängung rechtlich nicht an Einschätzungen der WHO gebunden - weder zur Notlage, noch zu PCR-Tests.

FAKTEN: Die WHO hat am 30. Januar 2020 eine gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite ausgerufen. Diese wird im deutschen Infektionsschutzgesetz (IfSG) als eine mögliche Voraussetzung genannt, damit der Bundestag eine «epidemische Lage von nationaler Tragweite» feststellen kann. Eine solche ermöglicht den staatlichen Stellen zum Beispiel Grundrechtseinschränkungen.

Die nun oft zitierte Informationsnotiz der WHO vom 20. Januar 2021 hat darauf keine direkten Auswirkungen - weder wird durch sie die Pandemie für beendet erklärt, noch enthält sie Empfehlungen an die einzelnen Staaten. Sie richtet sich vielmehr an Laborpersonal und mahnt an, bei den in der Corona-Pandemie zur Diagnostik eingesetzten PCR-Tests genau die Gebrauchsanweisungen zu beachten.

Die WHO erinnert daran, dass der sogenannte Ct-Wert bei Tests umgekehrt proportional zur Viruslast des Getesteten ist. Der Wert gibt die Testzyklen an, die nötig sind, um Virus-RNA zu reproduzieren und damit zu erkennen. Zudem rät die WHO, dass bei schwachen Ergebnissen neue Tests durchgeführt werden sollten, wenn ein erstes Ergebnis nicht zum klinischen Bild, also zu den Symptomen des Patienten passt. Generell müssten bei einer Diagnose auch immer andere Faktoren wie etwa Symptome berücksichtigt werden.

An keiner Stelle jedoch ist in der Notiz die Rede davon, dass die WHO ihre Einschätzungen bezüglich der internationalen gesundheitlichen Notlage geändert haben könnte. Ihre eigene Ausrufung einer internationalen Notlage hat die WHO bislang nicht zurückgenommen (Stand: 5.2.2021).

Auch auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa) teilt die WHO mit, dass die Informationsnotiz keinerlei Auswirkungen auf die erklärte internationale Notlage habe. «Wir möchten bekräftigen, dass wir ordnungsgemäß verwendete PCR-Tests für ein hochverlässliches Instrument zur Diagnose von Covid-19 halten», schreibt eine Sprecherin.

Hintergrund der Notiz sind demnach zehn Berichte an die WHO über Probleme mit Sars-CoV-2-PCR-Tests seit Anfang 2020. Dabei sei es sowohl um falsch-positive als auch falsch-negative Ergebnisse gegangen. Eine Untersuchung habe ergeben, dass die Tests dabei nicht immer ordnungsgemäß und den Herstellervorgaben entsprechend genutzt worden seien. Konkret sei es um falsch verwendete Schwellenwerte bei den Testzyklen gegangen. Die Notiz, die in einer ersten Version bereits am 14. Dezember veröffentlicht wurde, empfehle die genaue Beachtung der Gebrauchsanweisungen, bekräftigt die WHO.

Eine rechtliche Auswirkung der Notiz auf die Bewertung der epidemischen Lage in Deutschland gibt es nicht. Diese hatte der Deutsche Bundestag am 25. März 2020 im Zuge einer Änderung des Infektionsschutzgesetzes festgestellt - damals aber noch rechtlich unabhängig von der vorausgegangenen WHO-Ausrufung. Dass diese laut Paragraf 5 IfSG eine mögliche Voraussetzung darstellt, gilt erst seit dem 18. November 2020, als das Infektionsschutzgesetz abermals geändert wurde. Am gleichen Tag stellte der Bundestag auch den Fortbestand der epidemischen Lage in Deutschland fest.

Im Infektionsschutzgesetz wiederum werden PCR-Tests nicht als ein Kriterium für das Feststellen einer Notlage genannt. In Paragraf 4 wird lediglich definiert, dass das Robert Koch-Institut (RKI) als zuständige Behörde Maßnahmen zur Überwachung von bedrohlichen übertragbaren Krankheiten entwickeln kann und bei deren Bekämpfung auch mit der Weltgesundheitsorganisation zusammenarbeitet. Über konkrete Vorschriften der WHO zu Tests finden sich dort keine Regelungen.

Richtig ist, dass das Feststellen einer solchen Lage in Deutschland eine politische Entscheidung ist. Gleiches gilt für das Festlegen von Maßnahmen. So hat es auch die Bundeskanzlerin am 21. Januar auf einer Pressekonferenz erläutert - dass es keine Pandemie gebe, hat Angela Merkel hingegen nicht gesagt.

Für das Feststellen der Notlage ist der Bundestag auch nicht auf die Ausrufung einer internationalen Notlage durch die WHO oder deren Einschätzung angewiesen ist: In Paragraf 5 wird seit der Änderung vom 18. November 2020 angeführt, dass eine epidemische Lage von nationaler Tragweite auch vorliegen kann, wenn «eine dynamische Ausbreitung einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit über mehrere Länder in der Bundesrepublik Deutschland droht oder stattfindet». Wie diese Krankheitsausbreitung konkret verzeichnet wird, regelt das Gesetz nicht.

Allerdings werden als politisches Argument für die Corona-Maßnahmen in Deutschland immer wieder die erhobenen Fallzahlen angeführt. Infektionen mit Sars-CoV-2 sind in Deutschland meldepflichtig. Das RKI bezeichnet die PCR-Methode dabei als «Goldstandard» in der Diagnostik solcher Infektionen.

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Links:

WHO-Ausrufung der internationalen Notlage (30.01.2020): https://www.who.int/news/item/30-01-2020-statement-on-the-second-meeting-of-the-international-health-regulations-(2005)-emergency-committee-regarding-the-outbreak-of-novel-coronavirus-(2019-ncov) (archiviert: https://archive.vn/qPBvr)

§ 5 Infektionsschutzgesetz zu Notlagen: https://www.gesetze-im-internet.de/ifsg/__5.html (archiviert: https://archive.vn/lCirY)

WHO-Notiz zu PCR-Tests (Version vom 20.01.2021): https://www.who.int/news/item/20-01-2021-who-information-notice-for-ivd-users-2020-05 (archiviert: https://archive.vn/6ny13)

WHO-Notiz zu PCR-Tests (Version vom 14.12.2020, archiviert): https://web.archive.org/web/20201215013928/https://www.who.int/news/item/14-12-2020-who-information-notice-for-ivd-users

Bundestags-Feststellung (25.03.2020): https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2020/kw13-de-corona-infektionsschutz-688952 (archiviert: https://archive.vn/HwbGx)

Überblick über Änderungen an § 5 IfSG: https://www.buzer.de/gesetz/2148/al115550-0.htm (archiviert: https://archive.vn/iM2uf)

Bundestag über Fortbestand der epidemischen Lage (18.11.2020): http://dipbt.bundestag.de/extrakt/ba/WP19/2700/270040.html (archiviert: https://archive.vn/sjtn7)

§ 4 Infektionsschutzgesetz zu RKI-Aufgaben: https://www.gesetze-im-internet.de/ifsg/__4.html (archiviert: https://archive.vn/6IjdU)

Zitate von Merkel in der Bundespressekonferenz (21.01.2021): https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/pressekonferenz-von-bundeskanzlerin-merkel-zur-aktuellen-lage-1841788#:~:text=politische%20Entscheidung (archiviert: https://archive.vn/HILAF#selection-6069.6-6069.29)

§ 7 Infektionsschutzgesetz zu Meldepflichten: https://www.gesetze-im-internet.de/ifsg/__7.html (archiviert: https://archive.vn/VYX2C)

Robert Koch-Institut zu PCR-Tests: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Vorl_Testung_nCoV.html;jsessionid=8842BC6EB9EB651F68F8A285EAC47527.internet082?nn=13490888#doc13490982bodyText4 (archiviert: https://archive.vn/rGfMj#selection-2505.0-2505.37)

Artikel auf «Watergate.tv»: https://wg.neopresse.com/who-beendet-pandemie-merkel-macht-weiter/ (archiviert: https://archive.vn/0sSAe)

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