Vermeintliche Corona-Regeln sind teils falsch
15.12.2020, 17:41 (CET)
Seit Monaten verkünden Bund und Länder immer neue Regeln zur Eindämmung der Corona-Pandemie. Parallel dazu schallt in den sozialen Netzwerken die Kritik daran. Die Bestimmungen seien unverhältnismäßig und vor allem: unlogisch. Ein Anfang Dezember kursierendes Sharepic (hier archiviert) beklagt die «Lockdown-Logik», indem es vermeintlich Erlaubtes und Verbotenes gegenüberstellt. So heißt es dort unter anderem: «Nach Grand (sic!) Canaria fliegen» sei erlaubt, «Urlaub an der Ostsee» hingegen verboten. Und während «Haare schneiden lassen» gestattet sei, seien Rückenmassagen verboten.
BEWERTUNG: Einzelne Aussagen sind aus dem Kontext gerissen, verknappt oder falsch.
FAKTEN: Seit Monaten gelten in Deutschland weitreichende Regelungen und Kontaktbeschränkungen, um die Zahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus einzudämmen und eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern. Die Bestimmungen sind im Laufe des Jahres (zumal in den vergangenen Wochen) immer wieder verändert worden; zudem variieren sie - wegen der föderalen Struktur - im Detail von Bundesland zu Bundesland.
Die Einzelaussagen, die in dem Anfang Dezember kursierenden Sharepic getroffen werden, sind darum vielfach aus dem Kontext gerissen, unangemessen verknappt oder falsch.
Einige Beispiele:
Für den öffentlichen Raum haben Bund und Länder Schutzmaßnahmen erarbeitet, die abgekürzt die AHA+A+L-Formel ergeben. Danach sollen im öffentlichen Raum zwischen Personen ein Abstand von mindestens 1,5 Metern gewahrt und Hygieneregeln beachtet werden. Zudem vermindert das Tragen von Alltagsmasken - gerade in geschlossenen Räumen sowie auf vielfrequentierten Plätzen - das Ansteckungsrisiko.
Diese Auflagen (beispielhaft aus Nordrhein-Westfalen) müssen auch in Büro- und Geschäftsgebäuden oder Kirchen beachtet werden. Im Einzelhandel ist zudem - je nach Verkaufsfläche - die Kundenzahl beschränkt. Pro zehn Quadratmeter Fläche darf sich nicht mehr als eine Person aufhalten; in kleinen Geschäften ist nur ein Kunde erlaubt. Anders als im Sharepic suggeriert ist der Besuch von Läden, Büros oder Kirchen damit keineswegs uneingeschränkt möglich, sondern streng reglementiert.
Tatsächlich waren und sind Gewerke, bei denen die Einhaltung des Mindestabstands nicht gewährt ist, untersagt: etwa Tätowieren oder Maniküre. Richtig ist auch, dass es bis in den Dezember hinein Ausnahmen für Frisöre gab. Aber: Jede medizinisch notwendige Behandlung war und ist etwa gemäß den Verordnungen für NRW gestattet - darunter auch Rückenmassagen, was das Sharepic verneint.
Privatzusammenkünfte sind - anders als behauptet - stets unabhängig von der Wohnungsgröße reglementiert worden. Falsch ist zudem die Behauptung, «mit 5 Leuten im Freien Kaffee trinken» sei verboten gewesen. Die «November-Regelungen», die zum Zeitpunkt der Verbreitung des Sharepics galten, gestatteten die Zusammenkunft mit insgesamt maximal zehn Personen - allerdings nur des eigenen und eines weiteren Haushalts.
Ein pauschales Verbot für Urlaub an der Ostsee gab es im November und in der ersten Dezemberhälfte nicht. Zwar gelten Verbote für touristische Übernachtungen, etwa in Mecklenburg-Vorpommern. Ausnahmen gibt es dort aber zum Beispiel für Menschen mit einem Nebenwohnsitz oder langfristigen Mietverträgen zum Beispiel für Ferienwohnungen.
Richtig ist, dass Flüge nach Gran Canaria erlaubt waren und sind. Das gilt aber auch für alle anderen Reiseziele, egal ob eine Reisewarnung besteht oder nicht. «Die Reisewarnung ist kein Reiseverbot», schreibt das Auswärtige Amt.
Für die Kanaren hat die Bundesregierung die Reisewarnung Ende Oktober aufgehoben. Allerdings gelten seit Mitte November strenge Vorschriften der spanischen Behörden. Wer auf die Kanaren reist, muss einen aktuellen, negativen Corona-Test vorweisen. Die Aussage «Gran Canaria erlaubt, Ostsee-Urlaub verboten» stimmt also in dieser allgemeinen Form nicht.
Vor dem Hintergrund steigender Infektions- und vor allem Sterbezahlen haben Bund und Länder am 13. Dezember aber noch einmal härtere Einschnitte beschlossen. Damit werden Handel, Dienstleistungen und Bewegungsfreiheit deutlicher eingeschränkt. Auch große Feiern zu Weihnachten und Silvester sind in diesem Jahr nicht erlaubt.
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Links:
Ausführungen zur AHA+A+L-Formel: https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/coronavirus/was-im-winter-wichtig-ist-1811748 (archiviert: https://archive.is/EXwrc)
«November-Regelungen» in Nordrhein-Westfalen: https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_vbl_detail_text?anw_nr=6&vd_id=18927 (archiviert: https://archive.is/CNPGN)
«November-Regelungen» des Bundes: https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/coronavirus/regelungen-ab-2-november-1806818 (archiviert: https://archive.is/LsTug)
Informationen über Urlaub in Mecklenburg-Vorpommern: https://www.auf-nach-mv.de/informationen-coronavirus (archiviert: https://archive.vn/owSXC)
Auswärtiges Amt über Reisewarnungen: https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/covid-19/2296762#content_1 (archiviert: https://archive.vn/rC6wB)
«Tagesschau» über Ende der Reisewarnung für die Kanaren: https://www.tagesschau.de/ausland/kanaren-corona-101.html (archiviert: https://archive.is/RuSuL)
Auswärtiges Amt über Spanien: https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/spanien-node/spaniensicherheit/210534 (archiviert: https://archive.vn/Yy30O)
Verschärfungen vom 13.12.2020: https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/merkel-beschluss-weihnachten-1827396 (archiviert: https://archive.is/DaVua)
Beitrag auf Facebook: https://www.facebook.com/Killuminati4Wakeup/posts/3493703053998428(archiviert: https://archive.is/uQdw2)
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