CDC-Studie falsch interpretiert: Masken verringern Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung

15.10.2020, 15:02 (CEST)

Gegner der Maskenpflicht bezweifeln den Nutzen eines Mund-Nasen-Schutzes in der Corona-Pandemie, teilweise halten sie ihn sogar für gesundheitsgefährdend. Mit Verweis auf ein Dokument der US-Gesundheitsbehörde CDC soll nun bewiesen werden, dass es vielfach mehr Infektionen mit dem Sars-CoV-2-Erreger bei Menschen gibt, die immer eine Maske tragen - verglichen mit denjenigen, die nie Mund und Nase bedecken. Die Rede ist von mehr als 70 Prozent gegenüber etwa 4 Prozent (hier archiviert).

BEWERTUNG: Die CDC-Studie wird völlig falsch interpretiert. Die Gesundheitsbehörde kommt in dem Papier zu dem Schluss, dass das Tragen von Masken die Ausbreitung des Coronavirus verlangsamt.

FAKTEN: Die US-Gesundheitsbehörde Centers for Disease Control and Prevention (CDC) und weitere amerikanische Gesundheitseinrichtungen haben in einer Studie untersucht, welchen Einfluss der Kontakt zu anderen Menschen oder der Besuch öffentlicher Orte auf das Corona-Krankheitsgeschehen unter Erwachsenen haben kann. Dazu wurden zwischen 1. und 29. Juli 2020 mehr als 300 Probanden befragt, die Ergebnisse wurden am 11. September veröffentlicht.

Die Studie unterscheidet zwei Gruppen: Menschen, die positive Coronatest-Ergebnisse erhalten haben («Fallpatienten», engl. «case-patients»), und Probanden, die negativ getestet wurden («Kontrollteilnehmer», engl. «control participants»). Die zweite Gruppe diente den Forschern als Vergleichsgröße.

Auf Seiten 3 und 4 der Studie ist eine zweiteilige Tabelle zu finden, in der Charakteristika aller Teilnehmer - also sowohl «Fallpatienten» als auch «Kontrollteilnehmern» - angegeben werden. Dabei geht es etwa um Merkmale wie Alter, Ethnie oder Bildung, aber auch etwa darum, ob sie in den 14 Tagen vor den ersten Symptomen zum Beispiel Kontakt mit Covid-19-Kranken hatten, oder ob sie im Restaurant, Fitnessstudio oder in einer Bar waren.

Im letzten Tabellenpunkt, dessen Daten derzeit häufig in sozialen Netzwerken verbreitet werden, geht es um das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes («cloth face covering or mask»):

  • Von den 153 befragten corona-positiven «Fallpatienten» gaben 70,6 Prozent an, in den 14 Tagen vor den ersten Symptomen «immer» («always») eine Maske getragen zu haben. 3,9 Prozent wollen das «niemals» («never») getan haben.
  • Von den 159 befragten corona-negativen «Kontrollteilnehmern» aus der Vergleichsgruppe hingegen gaben 74,2 Prozent an, «immer» eine Maske getragen zu haben. 3,1 Prozent taten dies «niemals».

Allein das zeigt schon: Ein größerer Anteil der Menschen, die negativ auf das Coronavirus getestet wurden, trugen eigenen Angaben zufolge «immer» Masken im Gegensatz zu Teilnehmern, die positiv getestet wurden: 74,2 zu 70,6 Prozent.

Viele Nutzer sozialer Medien interpretieren die CDC-Tabelle vollkommen falsch. Anstatt die Zahlen innerhalb einer der beiden Studiengruppen zu vergleichen, muss man die Daten der «case-patients» mit denen der «control participants» in Beziehung setzen. Nur dann erhält man brauchbare Ergebnisse.

Ein Facebook-Nutzer (hier archiviert) macht sogar den Fehler, die Daten der corona-negativen «Kontrollteilnehmer» für seine falsche Argumentation über corona-positive Menschen heranzuziehen.

Nach Angaben der CDC-Studie ist für eine Ansteckung die Nähe zu anderen Covid-19-Patienten besonders ausschlaggebend. Von den «Fallpatienten» gaben nämlich 42,2 Prozent an, engen Kontakt mit solch einer Person gehabt zu haben. In der Vergleichsgruppe waren es nur 14,5 Prozent.

Zudem gab es im Gegensatz zur Vergleichsgruppe unter den «Fallpatienten» eine viel höhere Zahl an Menschen, die in den 14 Tagen vor der Erkrankung in einem Restaurant oder in einer Bar gewesen waren. Die Autoren der Studie gaben in diesem Zusammenhang zudem zu bedenken: «Masken können beim Essen und Trinken nicht effektiv getragen werden.»

An keiner Stelle behauptet das CDC-Papier, der Gebrauch von Masken erhöhe die Wahrscheinlichkeit, sich mit dem Coronavirus anzustecken. Ganz im Gegenteil: Die Autoren empfehlen sogar explizit das Tragen von Masken in der Öffentlichkeit und in der Nähe von Menschen außerhalb des eigenen Haushalts.

Alltagsmasken helfen nicht allein und vollständig gegen die Ausbreitung des Coronavirus - sie sind vielmehr einer von vielen Strategiebausteinen in der Bekämpfung der Pandemie.

Die US-Faktenchecker von «Politifact» verweisen zudem beispielhaft auf drei Studien, die im Gegensatz zur CDC-Erhebung nicht allein auf Befragungen beruhen. Diese Untersuchungen teils mehrerer Zehntausender Fälle kommen zu dem Ergebnis, dass das Tragen von Masken die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung mit dem Coronavirus verringert.

Behauptungen, das Tragen von Masken sein gefährlich, haben sich in der Vergangenheit mehrfach als falsch erwiesen.

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Links:

CDC-Studie: https://www.cdc.gov/mmwr/volumes/69/wr/pdfs/mm6936a5-H.pdf (archiviert: http://dpaq.de/eAAp0)

Faktencheck von «Politifact» über die CDC-Studie: https://www.politifact.com/factchecks/2020/oct/13/facebook-posts/masks-dont-collect-coronavirus/ (archiviert: http://dpaq.de/Red1U)

dpa-Faktenchecks über Masken:

Facebook-Post mit Falschbehauptung: https://www.facebook.com/Astrid.G.Schmid/posts/3033598266746924 (archiviert: https://archive.vn/xHLr8)

Facebook-Post mit Falschbehauptung: https://www.facebook.com/jakob.oberwalder.77/posts/183127776676842 (archiviert: https://archive.vn/ASeMQ)

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