Neuer EU-Migrationspakt liegt nicht mal als Entwurf vor - EU-Parlament an der Entstehung beteiligt

10.09.2020, 12:59 (CEST)

Die EU soll angeblich in einem intransparenten Verfahren einen neuen europäischen Migrationsplan beschlossen haben. «Neuer Pakt für Migration und Asyl wird heimlich durchgewunken», heißt es in einem Blogartikel (hier archiviert). «Er bereitet hunderten Millionen von Migranten den Weg in die EU», wird darin über angebliche Auswirkungen des Pakts geschrieben. Der Pakt sei im Grunde genommen schon verabschiedet worden, heißt es weiter. Zudem kritisiert der Beitrag eine mangelnde Einbindung des EU-Parlaments: «Die Fachausschüsse wurden nicht beteiligt», alles sei durch ein neues «Feedback-Verfahren mit Mailing-Option» ersetzt worden.

BEWERTUNG: Die Aussagen über die Entstehung des neuen EU-Migrationspakts sind falsch. Denn bisher existiert nicht einmal ein öffentlicher Entwurf des geplanten Pakts für Migration und Asyl. Weder wurde er verabschiedet, noch trifft es zu, dass Fachausschüsse des EU-Parlaments nicht beteiligt wurden.

FAKTEN: Die EU-Kommission hat den schon länger angekündigten Pakt für Migration und Asyl mehrfach verschoben. Bisher gibt es keinen offiziellen Entwurf, geschweige denn eine verabschiedete Version. Auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur teilte die EU-Kommission am 9. September mit, dass der Pakt im September 2020 vorgestellt werden soll, ohne ein genaues Datum zu nennen. Ohne Entwurf lässt sich keine Aussage darüber treffen, ob der Pakt mehr Migranten als bisher einen Aufenthalt in der EU ermöglichen wird.

Der geplante Pakt für Migration und Asyl soll gemeinsame Rahmenbedingungen festlegen, wie die EU beim Grenzschutz sowie in der Asyl- und Einwanderungspolitik in den nächsten Jahren vorgehen will. Die meisten Regeln für diese Politikbereiche bestimmen die EU-Länder weiterhin mit eigenen Gesetzen. Ein gemeinsames europäisches Asylsystem gibt es nicht.

Im Blogbeitrag heißt es, ein Positionspapier des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR), in dem mehr legale Migrationswege gefordert werden, solle «als Grundlage dieses neuen Pakts für Migration und Asyl dienen». Die Empfehlungen des im März veröffentlichten Positionspapiers haben jedoch keinerlei bindende Wirkung.

Anders als im Blogartikel behauptet, wurden auch Fachausschüsse des EU-Parlaments beteiligt. Im Februar 2020 fand im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres eine Anhörung zu einem Bericht statt, der die Arbeit am EU-Migrationspakt unterstützen soll. Derselbe Fachausschuss schickte der EU-Kommission im April einen offenen Brief mit seinen Positionen für die Ausarbeitung des Migrationspakts.

Ende August antwortete die EU-Kommission zudem auf eine schriftliche Frage eines EU-Abgeordneten der rechtsextremen französischen Partei «Rassemblement national», in der es um den neuen Migrationspakt ging. Bürgerinnen und Bürger hatten auf einer Feedback-Seite der EU-Kommission die Möglichkeit, Anmerkungen zur Entstehung des Pakts für Migration und Asyl zu machen.

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Links:

Blogbeitrag mit den falschen Aussagen über den geplanten EU-Migrationspakt (7. September 2020): https://www.freiewelt.net/nachricht/neuer-pakt-fuer-migration-und-asyl-wird-heimlich-durchgewunken-10082303 (archiviert: http://dpaq.de/tx5ky)

FAZ-Artikel, in dem die Verschiebung des EU-Migrationspakts erwänht wird (26. Mai 2020): https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/was-ist-dran-an-seehofers-kritik-an-der-eu-kommission-16785745.html (archiviert: https://archive.vn/OBAwl)

Positionspapier «Solidarisch, praktikabel, krisenfest: für eine neue Asyl- und Migrationspolitik der Europäischen Union» des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) (31. März 2020): https://www.svr-migration.de/wp-content/uploads/2020/03/200331_EU-Positionspapier-1.pdf (archiviert: http://dpaq.de/lSnzK)

Feedback-Seite der EU-Kommission zum geplanten Pakt für Migration und Asyl: https://ec.europa.eu/info/law/better-regulation/have-your-say/initiatives/12544-New-Pact-on-Migration-and-Asylum (archiviert: http://dpaq.de/ajHNI)

Ankündigung einer Anhörung zum Migrationspakt in einem Fachausschuss des EU-Parlaments (19. Februar 2020): https://www.europarl.europa.eu/committees/en/hearing-on-the-implementation-of-the-dub/product-details/20200211CHE07081(archiviert: http://dpaq.de/CuYKg)

Offener Brief des Vorsitzendes des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres an die EU-Kommission (30. April 2020): https://www.europarl.europa.eu/news/en/press-room/20200430IPR78208/asylum-and-migration-pact-meps-push-for-legal-and-safe-avenues (archiviert: https://archive.vn/Ox3z9)

Frage des EU-Abgeordneten Jean-Paul Garraud (Rassemblement national) zum Pakt für Migration und Asyl (30. Juni 2020): https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/P-9-2020-003827_EN.html (archiviert: https://archive.vn/YxsO6)

Antwort der EU-Kommission auf die parlamentarische Frage (28. August 2020): https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/P-9-2020-003827-ASW_EN.html (archiviert: https://archive.vn/Cu5MU)

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