Madegassischer Präsident hat WHO keine Bestechung unterstellt

27.08.2020, 14:11 (CEST)

Manche wittern Bestechung: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) soll dem madegassischen Präsidenten 20 Millionen Dollar angeboten haben, behauptet «Watergate TV». Angeblich damit er ein pflanzliches Mittel vergiften lässt, das in Madagaskar gegen Covid-19 eingenommen wird. Der Artikel bezieht sich auf eine sambische Zeitung.

BEWERTUNG: Der madegassische Präsident hat die Verbreitung des pflanzlichen Mittels gegen Covid-19 in einem Interview verteidigt. Er sprach jedoch nicht davon, dass die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ihn habe bestechen wollen, damit er das Mittel vernichte. Sein Büro hat diese Behauptung zurückgewiesen.

FAKTEN: Ein in Madagaskar entwickeltes und hergestelltes Mittel namens «Covid-Organics» wird dort gegen die vom Coronavirus verursachte Krankheit Covid-19 verabreicht. Es handelt sich dabei um ein Getränk auf pflanzlicher Basis; Hauptbestandteil sollen Auszüge von Artemisia annua (Einjähriger Beifuß) sein. Wie genau «Covid-Organics» hergestellt wird, ist unklar. Das entwickelnde Malagasy Institute of Applied Science (IMRA) hat bislang keine Daten dazu veröffentlicht.

Ein aus Artemisia annua gewonnener Stoff ist seit Längerem ein Standardmittel zur Behandlung von Malaria. Genauer gesagt: Ein aus dem pflanzlichen Wirkstoff Artemisinin abgeleiteter, halbkünstlicher Stoff - Artesunat. Dieser ist auch auf der Liste der unentbehrlichen Arzneimittel der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aufgeführt. Seine Wirkung ist unumstritten.

Die WHO warnte indes Anfang Mai davor, «Covid-Organics» einzunehmen. «Wir raten der madegassischen Regierung, das Produkt einer klinischen Prüfung zu unterziehen, und wir sind darauf vorbereitet, mit ihr zusammenzuarbeiten». Das sagte die WHO-Regionaldirektorin für Afrika, Matshidiso Moeti, bei einem Pressegespräch am 7. Mai 2020 (im Video ab 22:00).

Man rate Ländern davon ab, ein Produkt einzuführen, dessen Wirksamkeit gegen Covid-19 und dessen Sicherheit nicht getestet wurde. Werde das Produkt als vorbeugende Maßnahme gegen Covid-19 verkauft, fühlten sich die Menschen sicher und vernachlässigten die anderen Schutzmaßnahmen. Das bereite der WHO Sorge.

Der madegassische Präsident Andry Rajoelina, der «Covid-Organics» offensiv bewirbt, äußerte sich am 12. Mai in einem Interview der französischen Fernsehsender France 24 und RFI dazu. «Was wäre, wenn das Mittel von einem europäischen Land entdeckt worden wäre - anstatt in Madagaskar? Würde man es genauso stark anzweifeln? Ich denke nicht», so der Präsident. «Niemand wird uns stoppen, damit voranzugehen - kein Land, keine Organisation», sagte Rajoelina hinsichtlich der Bedenken der WHO.

Er behauptet jedoch nicht, dass diese ihm 20 Millionen Dollar angeboten habe, damit er das Mittel unbrauchbar mache. Der französischen Nachrichtenagentur AFP hatte die Leiterin des Präsidenten-Büros, Lova Ranoramoro, bereits am 14. Mai gesagt, der Präsident bestreite die Vorwürfe.

Dennoch behauptet beispielsweise der «Zambian Obvserver» dies fälschlicherweise - und bezieht sich dabei auf das genannte Interview, das im Artikel eingebettet ist. Außerdem kursiert ein Foto, das angeblich die Titelseite der «Tanzania Perspective» mit der gleichen Falschbehauptung zeigt.

Dieser haben sich zuvor bereits auch die Faktenchecker von Africa Check und Mimikama angenommen.

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Links:

Beitrag: https://www.watergate.tv/madagaskar-hat-who-20-millionen-dollar-bestechungsgeld-gegen-covid-heilmittel-geboten/ (archiviert: https://archive.vn/OW8hC)

Deutsche Apotheker-Zeitung zum Mittel: https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2020/05/11/artemisia-annua-forschung-in-deutschland-ungepruefter-kraeutertee-in-madagaskar

WHO: Liste der unentbehrlichen Arzneimittel 2019 (in Englisch): https://apps.who.int/iris/rest/bitstreams/1237479/retrieve

Pressegespräch WHO/WEF vom 7. Mai 2020: https://www.weforum.org/agenda/2020/05/covid-19-in-africa-insights-from-our-7-may-who-media-briefing/

Interview France 24/RFI: https://www.france24.com/en/africa/20200512-exclusive-madagascar-s-president-defends-controversial-homegrown-covid-19-cure

Artikel mit Falschbehauptung im «Zambian Observer»: https://www.zambianobserver.com/w-h-o-offered-20million-bribe-to-poison-covid-19-cure-made-by-madagascar-president-andry-rajoelina-claims/ (archiviert: https://archive.vn/DAT67

Foto von angeblicher Titelseite der «Tanzania Perspective»: https://www.facebook.com/1459322917621020/photos/a.1459549577598354/2663131690573464/?type=3&theater (archiviert: https://archive.vn/N1yS8)

Faktencheck von Afrika Check: https://africacheck.org/fbcheck/no-madagascar-president-didnt-say-in-interview-that-who-offered-him-20m-to-poison-covid-19-remedy/

Faktencheck von AFP: https://factcheck.afp.com/there-no-evidence-madagascan-president-said-who-offered-bribe-poison-covid-19-remedy

Faktencheck von Mimikama: https://www.mimikama.at/aktuelles/madagaskar-20-millionen/

WHO: Unterstützung von getesteter traditioneller Medizin: https://www.afro.who.int/news/who-supports-scientifically-proven-traditional-medicine

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