Plakat mit Zugtoilette ist Kunstprojekt

20.08.2020, 15:29 (CEST)

Ein Plakat zeigt eine Zugtoilette und fordert: «Maske vergessen? Dann müssen Sie jetzt dieses WC mit Ihrer Zunge reinigen.» So sei es in den neuen Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorgesehen. Das Plakat ist im Corporate Design der Deutschen Bahn gestaltet. In den sozialen Netzwerken wird es von einigen als offizielle Kampagne des Unternehmens bezeichnet und harsch kritisiert: «Das Denunzianten- und Ausgrenzungsklima wird weiter angeheizt. Schämt Euch!», heißt es etwa in einem Facebook-Post.

BEWERTUNG: Das Plakat ist ein Kunstprojekt von «Dies Irae». Die Deutsche Bahn teilte mit, dass es sich um keine offizielle Kampagne des Unternehmens handle.

FAKTEN: Am 15. August 2020 wurde auf dem Facebook-Account «Dies Irae» das Plakat mit der Zugtoilette veröffentlicht. Unter der Schlagzeile, dass jemand ohne Maske als Strafe eine Toilette mit der Zunge reinigen müsse, geht ein längerer Text auf das Masken-Verweigern ein: «Sie rollen mit den Augen, wenn eine Zugbegleitung Sie darum bittet die Maske aufzusetzen? Nehmen Sie mal die Perspektive der Zugbegleitung ein: (...) Was tun, wenn man kein*e Grundschullehrer*in ist, aber trotzdem eine unverbesserliche Meute bitten muss, Grundregeln des Alltags einzuhalten? Wie viel Lust haben Sie auf den nächsten Lockdown und drohende Kurzarbeit?»

Den Informationen bei Facebook ist zu entnehmen, dass es sich bei «Dies Irae» um einen Künstler-Account handelt, der Adbusting (zusammengesetzt aus den englischen Wörtern ad = Werbung und bust = kaputt machen) betreibt.

Auch bei Twitter verbreitete «Dies Irae» das satirische Plakat, ebenfalls am 15. August. Dort reagierte die Deutsche Bahn zwei Tage danach auf die Aktion: Sie schrieb, dass es sich um keine offizielle Kampagne der DB handle. «Inhaltlich gehen wir allerdings mit. Und an die Toiletten müssen wir wohl nochmal ran...»

Die «Hamburger Morgenpost» griff das Thema in einem Artikel auf und erklärt darin auch das grundsätzliche Prinzip des Adbustings: «Adbuster verändern in Guerilla-Aktionen Werbungen im öffentlichen Raum oder kreieren eigene, die täuschend echt aussehen. Damit wollen sie zum einen Werbung im öffentlichen Raum kritisieren. Zum anderen verbinden sie ihre Aktionen meist mit politischen Botschaften.»

«Dies Irae» verbreitet regelmäßig verfremdete oder selbst gestaltete Plakate, zum Beispiel im Jahr 2015 Poster mit Sprüchen gegen Rechtsextremismus im sächsischen Freital - nachdem dort zuvor über Wochen Menschen gegen Asylsuchende protestiert hatten. Über diese Aktion berichteten damals verschiedene Medien, etwa Spiegel Online und T-Online.

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Links:

Beitrag: https://www.facebook.com/photo.php?fbid=3462012137143188&set=a.212579595419808&type=3&theater (archiviert: http://archive.vn/lyDgk)

Plakat der Künstlergruppe «Dies Irae» bei Facebook: https://www.facebook.com/nervtjeden/photos/a.352851681566644/1444604452391356/?type=3&theater (archiviert: http://archive.vn/YQVBn)

Plakat bei Twitter: https://twitter.com/nervtjeden/status/1294718950304096256bei (archiviert: http://archive.vn/6ALyd)

Stellungnahme der Deutschen Bahn zur Plakat-Aktion: https://twitter.com/DB_Presse/status/1295352306926604289 (archiviert: http://archive.vn/nyjkz)

Hamburger Morgenpost zur Plakat-Aktion: https://www.mopo.de/news/panorama/bahn-aushang--maske-vergessen--dann-muessen-sie-dieses-wc-mit-ihrer-zunge-reinigen--37200224 (archiviert: http://archive.vn/j0y5z)

taz-Interview mit «Dies Irae» zum Adbusting: https://taz.de/Aktivist-ueber-Adbusting/!5499350/

Spiegel Online zu früherer Aktion von «Dies Irae»: https://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/freital-heimliche-guerilla-aktion-gegen-rassismus-a-1045200.html (archiviert: http://archive.vn/L1WAF)

T-Online zu früherer Aktion von «Dies Irae»: https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/gesellschaft/id_74829924/dies-irae-stellt-freital-bloss-nazis-essen-heimlich-falafel-.html (archiviert: http://archive.vn/xJpvj)

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