Belarus bat IWF um Corona-Kredite - Video belegt keine Bestechung

20.08.2020, 16:11 (CEST)

Im Internet kursiert ein Video, in dem es um Bestechungsvorwürfe gegen die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht. Darin wird der Verdacht geäußert, die WHO habe Belarus Geld dafür angeboten, dass es zur Eindämmung der Corona-Pandemie umfassende Einschränkungen des öffentlichen Lebens beschließt. Nutzer folgern daraus unter anderem, dass die WHO und der Internationale Währungsfonds (IWF) Belarus mit dem Geld «zum "totalen Lockdown" (nach italienischem Modell) bewegen» wollten.

BEWERTUNG: Die Behauptung ist falsch. Richtig ist vielmehr, dass das frühere Weißrussland angesichts der Corona-Krise selbst eine Kredithilfe beim IWF angefordert hatte. Es stimmt daher nicht, dass dieser dem Land von sich aus Geld angeboten hätte. Darüber hinaus war die WHO nicht an diesen Kreditverhandlungen beteiligt.

FAKTEN: Im Frühjahr 2020 hatte Belarus den IWF um einen Kredit gebeten, um die wirschaftlichen Folgen der Corona-Krise zu bewältigen. Es ging dabei um eine Summe in Höhe von bis zu 900 Millionen Dollar (Stand 20. August: 765 Mio Euro), wie mehrere Agenturberichte belegen. Auch die staatliche Nachrichtenagentur von Belarus hatte darüber berichtet.

Die Weltbank - und nicht etwa die WHO - hatte zudem im Mai ein Paket in Höhe von 90 Millionen Euro bewilligt, um das Gesundheitssystem des Landes zu unterstützen.

Belarus hatte im Gegensatz zu anderen Ländern keine umfassenden Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie verhängt.

Staatschef Alexander Lukaschenko hatte in der Tat die Bedingungen für einen IWF-Kredit «in Höhe von 940 Millionen Dollar» kritisiert. Auf Videos dieser Ansprache im Sender der staatlichen Nachrichtenagentur Belta ist zu sehen, wie er mit harschen Worten die vermeintlichen Bedingungen ablehnt.

Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Belta sagte Lukaschenko am 19. Juni: «Der IWF fordert nach wie vor Quarantäne, Isolierung, Ausgangssperre. Das ist eine Dummheit. Wir werden nach niemandes Pfeife tanzen.» In diesem Zusammenhang erwähnte er auch die Weltbank - aber nicht die WHO.

Lukaschenko warf den Angaben zufolge den Kreditgebern vor, sie hätten von Belarus verlangt, bei den Maßnahmen gegen das Coronavirus dem Beispiel Italiens zu folgen.

In dem Video hatte die Frau auf entsprechende Informationen von der italienischen Seite Database Italia über einen vermeintlichen Bestechungsversuch der WHO verwiesen. In dem Artikel ist allerdings nicht von Bestechungsvorwürfen oder der WHO im Zusammenhang mit Weißrussland die Rede.

In einem später veröffentlichten Video behauptet die Frau, der Verdacht einer Bestechung habe sich bestätigt. Als Beleg verweist sie unter anderem auf eine Übersetzung der Lukaschenko-Ansprache von einem Journalisten. Darin findet sich aber keinerlei Bezug zur WHO.

Dass IWF-Kreditprogramme an Bedingungen geknüpft sind, ist nicht neu: In der Euro-Krise zum Beispiel waren auch die Hilfen für Griechenland der Euro-Gruppe mit Sparauflagen für das Land verbunden.

Der IWF ist eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen, ebenso wie die WHO.

---

Links:

Beitrag auf Facebook:
https://www.facebook.com/224630658188929/posts/632698987382092 (archiviert: http://archive.vn/xMy9P)

Weiterer Facebook-Beitrag:
https://www.facebook.com/groups/392886947778150/permalink/1189974604736043 (archiviert: http://archive.vn/ICCFE)

Weiterer Facebook-Beitrag:
https://www.facebook.com/113843298718096/posts/2689231984512535 (archiviert: http://archive.vn/X6izk)

Video zu Bestechungsvorwürfen:
https://www.facebook.com/photo.php?fbid=357098092357566&set=a.136890884378289&type=3&theater (archiviert: http://dpaq.de/SkUw8)

Weiteres Video zu Bestechungsvorwürfen:
https://www.facebook.com/photo.php?fbid=358960155504693&set=a.136890884378289&type=3&theater (archiviert: http://archive.vn/Vx0cR)

Video der Pressekonferenz mit Lukaschenko:
https://www.youtube.com/watch?v=Yh9nLPTE3OU

Übersetzung vom Journalisten Boris Reitschuster:
https://www.reitschuster.de/post/corona-wollten-iwf-und-weltbank-lukaschenko-bestechen (archiviert: http://archive.vn/33hUJ)

Bericht Belta über Kreditanfrage Belarus beim IWF: https://eng.belta.by/economics/view/imf-belarus-talks-on-rapid-financing-continue-130585-2020/ (archiviert: http://archive.vn/MAJZO)

Bericht Belta über Lukaschenkos Kritik an Kreditbedigungen:
https://eng.belta.by/president/view/belarus-president-unwilling-to-accept-additional-terms-to-get-foreign-loans-131164-2020/ (archiviert: http://archive.vn/mRxxh)

Mitteilung der Weltbank zum Corona-Hilfe für Belarus:
https://www.worldbank.org/en/news/press-release/2020/05/22/world-bank-supports-belarus-covid19-response-with-eur90-million-financing (archiviert: http://archive.vn/WOZO4)

Reuters-Meldung zu Belarus/IWF:
https://www.reuters.com/article/us-belarus-imf-funding/belarus-due-to-receive-500-900-million-from-imf-idUSKCN21Y16O (archiviert: http://archive.vn/54s7G)

IWF-Pressebriefing mit Aussage zu Belarus, Fundstelle am Textende:
https://www.imf.org/en/News/Articles/2020/05/21/tr052120-transcript-of-imf-press-briefing (archiviert: http://archive.vn/LVpm3)

Faktencheck zu Video über Bestechungsvorwürfe:
https://www.mimikama.at/aktuelles/weissrussland-geld-lockdown/ (archiviert: http://archive.vn/MrmVI)

Italienische Seite zum Thema:
https://www.databaseitalia.it/lukashenko-gli-aiuti-della-banca-mondiale-e-del-fmi-per-il-coronavirus-vengono-erogati-solo-a-condizione-che-si-segua-il-modello-italiano-di-lockdown/ (archiviert: http://archive.vn/1Q3n3)

---

Kontakt zum dpa-Faktencheckteam: faktencheck@dpa.com