«Impf-Checkliste» enthält irreführende und falsche Aussagen

11.03.2021, 23:10 (CET)

Die Corona-Impfung ist gerade ein großes Thema - auch in sozialen Medien. Dort werden irreführende oder falsche Informationen verbreitet. In einer auf Facebook geteilten «Impf-Checkliste» (hier archiviert) sind in einem Sharepic verschiedene Behauptungen aufgestellt. Unter anderem heißt es, eine SARS-CoV-2-Impfung verhindere keine Ansteckung «meiner Person oder anderer». Zudem seien die Impfstoffe nicht «vollumfänglich getestet» worden. Impfhersteller könnten nicht «haftbar» gemacht werden, und es gebe «schwere Nebenwirkungen und Todesfälle in Zusammenhang mit der Impfung».

BEWERTUNG: Alle in der EU verimpften Covid-19-Vakzine wurden vor ihrer Zulassung umfassend getestet. Die Nebenwirkungen der Covid-19-Impfungen waren bisher nicht schlimmer als prognostiziert. Sollten Patienten geschädigt werden, würde gemäß den Produkthaftungsgesetzen der jeweiligen Länder dafür der Impfstoffhersteller haftbar gemacht. Es gibt keine Hinweise auf Todesfälle, die in direktem Zusammenhang mit der Impfung stehen.

FAKTEN: In der EU werden bisher drei Corona-Impfstoffe verimpft - von Biontech/Pfizer, Moderna und Astrazeneca. Ein vierter Impfstoff von Johnson & Johnson wurde am 11. März 2021 von der EU-Kommission auf Empfehlung der Arzneimittelbehörde EMA zugelassen. In Anbetracht der Dringlichkeit sollten die Zulassungen so schnell wie möglich erfolgen. Trotzdem werden die vom jeweiligen Impfstoffentwickler vorgelegten Nachweise einer «unabhängigen, gründlichen und soliden Prüfung» durch die EMA unterzogen, wie es auf der Webseite der EU-Kommission heißt.

Entscheidend für eine Beschleunigung des Verfahrens sind laut EU-Kommission die fortlaufenden Überprüfungen. Es werden also Daten bewertet, sobald sie verfügbar sind und nicht erst, wenn alle Untersuchungen abgeschlossen sind - wie bei einer normalen Marktzulassung. Impfstoffentwickler können zusätzliche Daten auch erst nach der Zulassung vorlegen. «Dadurch werden die normalen Beurteilungszeiten erheblich verkürzt, wobei die Grundsätze von Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit gewahrt bleiben», so die EU-Kommission.

Die bedingte Marktzulassung ist von einer Notfallzulassung zu unterscheiden, bei der es sich laut EU-Kommission um «die Zulassung der vorübergehenden Anwendung eines nicht zugelassenen Impfstoffs» handelt. In mehreren Ländern, z.B. in Großbritannien, ist solch eine Zulassung erfolgt.

Die EMA betont, eine bedingte Marktzulassung garantiere, dass das Arzneimittel strengen EU-Standards entspreche. An die Sicherheit von Covid-19-Impfstoffen würden dieselben Anforderungen gestellt wie an jeden anderen in der EU zugelassenen Impfstoff, teilt die EMA an anderer Stelle mit.

In jedem Impf-Zulassungsverfahren müssen verschiedene Phasen durchlaufen werden - etwa Testungen im Labor, klinische Studien und abschließende Evaluationen. Wie eine Grafik (Figure 2) der EMA zeigt, ist der Ablauf bei der Zulassung von Covid-19-Impfstoffen identisch zu anderen Vakzinen - nur in schnellerer Abfolge, was durch zahlreiche logistische Anpassungen möglich wurde.

Im Rahmen einer bedingten EU-Marktzulassung haftet laut EU-Kommission genau wie bei einer Standard-Marktzulassung der Hersteller. Er ist für das Produkt und seine sichere Verwendung verantwortlich. Das bestätigte eine Sprecherin der EU-Kommission der Deutschen Presse-Agentur (dpa). «Um jedoch etwaige Risiken der Hersteller aufgrund der ungewöhnlich verkürzten Frist für die Impfstoffentwicklung auszugleichen, ist in den Abnahmegarantien vorgesehen, dass die Mitgliedstaaten den Hersteller in möglichen Haftungsfällen entschädigen, jedoch nur unter ganz bestimmten, in den Abnahmegarantien festgelegten Bedingungen», sagte die Sprecherin.

In erster Linie bleibe der Impfstoffhersteller gemäß den Produkthaftungsgesetzen der jeweiligen Länder gegenüber dem geschädigten Patienten haftbar, teilte die Wiener Rechtsanwältin Francine Brogyányi der dpa dazu am Beispiel Astrazeneca mit. Das trifft dann zu, wenn der geltend gemachte Schaden nachweislich auf den Impfstoff zurückzuführen ist und ein Produktfehler vorliegt, für den der Hersteller nach dem jeweiligen Produkthaftungsgesetz einstehen muss. Veröffentlicht wurde der Vertrag der EU mit Astrazeneca - zum Teil geschwärzt.

Würde der Impfstoff-Hersteller gegenüber einem Patienten nun schadenersatzpflichtig werden, so könne der Hersteller aber gemäß der Vereinbarung mit der EU (Punkt 14.1 des Vertrags zwischen Astrazeneca und EU) diesen Beitrag von der EU zurückfordern. «Gegenüber dem Patienten bleibt - wie bei anderen Arzneimitteln - der Hersteller haftbar. Dieser kann sich aber bei der EU gemäß dem veröffentlichten Vertrag schadlos halten», so Brogyányi. Doch auch die jeweiligen Gesetze in den EU-Ländern spielen eine Rolle. In Deutschland sind das etwa das Produkthaftungsgesetz und das Arzneimittelgesetz.

Die Nebenwirkungen der Corona-Impfungen waren auch zuletzt erneut im erwartbaren Bereich. In einem EMA-Sicherheits-Update (28. Januar 2021) zur Impfung von Biontech/Pfizer heißt es: «Die neuesten Daten für diesen Impfstoff sind im Einklang mit dem bekannten Nebenwirkungsprofil.» Der Nutzen der Impfung bei der Prävention von Covid-19 überwiege weiterhin alle anderen Risiken. Das wiederholte die EMA in einem Sicherheits-Update (4. März 2021). Es gibt bisher seitens der EMA keine Belege dafür, dass Todesfälle in kausalem Zusammenhang mit der Impfung stehen.

Die EU-Behörde prüft derzeit einen Zusammenhang zwischen Blutgerinnsel und dem Impfstoff von Astazeneca. Dänemark, Norwegen und Island setzten die Impfungen mit dem Präparat nach einem entsprechenden Todesfall in Dänemark aus Vorsorge vorübergehend aus. Bislang gebe es keine Hinweise, dass der Todesfall in Dänemark mit dem Covid-19-Impfstoff von Astrazeneca in kausaler Verbindung stehe, teilte das Paul-Ehrlich-Institut mit. Nach einer ersten Prüfung halte auch die EMA «an der positiven Bewertung des zugelassenen Astrazeneca-Impfstoffs fest», hieß es.

Die US-Gesundheitsbehörde Centers for Disease Control and Prevention (CDC) überprüft ebenso die Sicherheit der Impfstoffe. «Eine Überprüfung der verfügbaren klinischen Informationen wie Sterbeurkunden, Autopsien und Krankenakten ergaben keine Hinweise darauf, dass Impfungen zum Tod von Patienten beitrugen», so die Behörde.

In Deutschland erfasst das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) alle vermuteten Nebenwirkungen von Impfstoffen. Der aktuellste Bericht zu vermuteten Nebenwirkungen nach Covid-19-Impfungen bezieht sich auf den Zeitraum vom 27. Dezember 2020 bis zum 26. Februar 2021. Der Großteil der Meldungen zu Nebenwirkungen betreffe vor allem «vorübergehende Lokalreaktionen und Allgemeinreaktionen». In den klinischen Studien der Zulassungsverfahren werden etwa Kopfweh, Fieber, Müdigkeit oder Schmerzen an der Einstichstelle genannt.

Dem Paul-Ehrlich-Institut wurden bis Anfang März 330 Todesfälle «in unterschiedlichem zeitlichen Abstand» zur Covid-19-Impfung gemeldet. Ein kausaler Zusammenhang dieser Todesfälle mit den Impfungen wurde vom PEI bislang nicht festgestellt.

Noch nicht ganz eindeutig ist die Studienlage in Bezug darauf, inwieweit eine Corona-Impfung die Weitergabe des Virus verhindert. Das Ergebnis einer Studie zum Biontech/Pfizer-Impfstoff lässt darauf hoffen, endgültige Gewissheit gibt es aber noch nicht (dpa-Bericht bei «Berliner Zeitung»).

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Links:

Post mit Sharepic: https://www.facebook.com/mydriverhurghadataxi/posts/2956070024718590 (archiviert: https://archive.vn/FkePg)

EU-Kommission über bedingte Marktzulassung und Haftung: https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/qanda_20_2390(archiviert: https://archive.is/fwRB4)

Übersicht über die von der EMA in der EU zugelassenen Covid-19-Impfstoffe: https://www.ema.europa.eu/en/human-regulatory/overview/public-health-threats/coronavirus-disease-covid-19/treatments-vaccines/vaccines-covid-19/covid-19-vaccines-authorised (archiviert: https://archive.is/7VvsR)

EMA über bedingte Marktzulassung: https://www.ema.europa.eu/en/human-regulatory/marketing-authorisation/conditional-marketing-authorisation (archiviert: https://archive.is/smWJZ#30%)

EMA über Covid-19-Impfstoffe: https://www.ema.europa.eu/en/human-regulatory/overview/public-health-threats/coronavirus-disease-covid-19/treatments-vaccines/vaccines-covid-19/covid-19-vaccines-key-facts (archiviert: http://dpaq.de/Ez1um)

Grafiken der EMA über Vergleich zwischen normalen Impfzulassungen und Covid-19-Impfzulassungen: https://www.ema.europa.eu/en/human-regulatory/overview/public-health-threats/coronavirus-disease-covid-19/treatments-vaccines/vaccines-covid-19/covid-19-vaccines-development-evaluation-approval-monitoring#accelerated-evaluation(archiviert: https://perma.cc/BU8T-BLAV)

EU-Kommission über Haftung bei bedingter Marktzulassung: https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/qanda_20_2390 (archiviert: https://perma.cc/T52J-MMD7)

EU-Kommission über Details zur Haftung: https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/qanda_20_1662(archiviert: https://perma.cc/MVJ7-3U59)

Artikel von «Wiener Zeitung» über Haftungsfrage: https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/oesterreich/2087539-Wer-haftet-fuer-Corona-Impfschaeden.html (archiviert: https://perma.cc/RU3K-Q4BR)

Faktencheck von «correctiv» zu Haftungsfrage: https://correctiv.org/faktencheck/2020/09/04/covid-19-doch-impfstoffhersteller-koennen-bei-nebenwirkungen-rechtlich-belangt-werden/ (archiviert: https://archive.is/Tpp5a)

Artikel vom «Handelsblatt» über Haftungsfrage: https://www.handelsblatt.com/finanzen/banken-versicherungen/versicherer/covid-19-vakzin-wer-haftet-bei-den-corona-impfungen-fuer-was/26746400.html (Paywall)

Artikel vom Bayerischen Rundfunk über Haftungsfrage: https://www.br.de/nachrichten/wirtschaft/corona-impfschaeden-wer-haftet-und-wie-hoch-ist-der-schadenersatz,SMRpwRK (archiviert: https://perma.cc/2DQM-FPNM)

«Standard»-Artikel über Haftungsfragen von Anwältin Francine Brogyányi: https://www.derstandard.at/story/2000123178928/pharmakonzernen-drohen-schadenersatzklagen-nach-covid-impfungen (archiviert: https://archive.is/zJkFC)

EU-Vertrag mit Astrazeneca (teilweise geschwärzt): https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/IP_21_302 (archivierter Download-Link: https://perma.cc/6Q8K-BU53)

EMA-Sicherheits-Update von Biontech/Pfizer-Impfstoff (28.1.2021): https://www.ema.europa.eu/en/documents/covid-19-vaccine-safety-update/covid-19-vaccine-safety-update-comirnaty-january-2021_en.pdf(archiviert: https://perma.cc/57MP-4BPW)

EMA-Sicherheits-Update von Biontech/Pfizer-Impfstoff (4.3.2021): https://www.ema.europa.eu/en/documents/covid-19-vaccine-safety-update/covid-19-vaccine-safety-update-comirnaty-march-2021_en.pdf(archiviert: https://perma.cc/55G3-R7TH)

EMA-Sicherheits-Update von Moderna-Impfstoff (5.2.2021): https://www.ema.europa.eu/en/documents/covid-19-vaccine-safety-update/covid-19-vaccine-safety-update-covid-19-vaccine-moderna-february-2021_en.pdf (archiviert: https://perma.cc/KL5F-PGA4)

EMA-Sicherheits-Update von Moderna-Impfstoff (4.3.2021): https://www.ema.europa.eu/en/documents/covid-19-vaccine-safety-update/covid-19-vaccine-safety-update-covid-19-vaccine-moderna-march-2021_en.pdf (archiviert: https://perma.cc/C3CD-8ZK6)

Dpa-Artikel im «Handelsblatt» über Nebenwirkungen von Astrazeneca-Impfstoff: https://www.handelsblatt.com/dpa/wirtschaft-handel-und-finanzen-astrazeneca-nebenwirkungen-bei-impfstoff-wie-erwartet/26930892.html?ticket=ST-9485868-Dm0wQJvCLLFFVw53Rpfl-ap6 (archiviert: https://perma.cc/TGF5-NYG4)

Mitteilung des Paul-Ehrlich-Instituts zu Astrazeneca (11.3.2021): https://www.pei.de/DE/newsroom/hp-meldungen/2021/210311-covid-19-vaccine-astra-zeneca-erklaerung-pei.html (archiviert: https://archive.ph/qBpSd)

Centers for Disease Control and Prevention (CDC) über Sicherheit der Covid-19-Impfungen: https://www.cdc.gov/coronavirus/2019-ncov/vaccines/safety/adverse-events.html (archiviert: https://archive.is/UtJBF#50%)

Bericht des Paul-Ehrlich-Instituts über Nebenwirkungen von Impfstoffen: https://www.pei.de/SharedDocs/Downloads/DE/newsroom/dossiers/sicherheitsberichte/sicherheitsbericht-27-12-bis-26-02-21.pdf?__blob=publicationFile&v=9 (archiviert: http://dpaq.de/ss1up) (abgerufen auf: https://www.pei.de/DE/newsroom/dossier/coronavirus/coronavirus-inhalt.html?cms_pos=5)

dpa-Bericht bei der «Berliner Zeitung»: https://www.berliner-zeitung.de/gesundheit-oekologie/bremst-der-biontech-impfstoff-das-virus-aus-li.141531 (archiviert: https://archive.ph/XJ3r8)

APA/dpa-Artikel über Studienlage zu Weitergabe von Virus (22.2.2021): https://science.apa.at/power-search/16392910535889653656 (archiviert: https://archive.is/ExYVv)

«Süddeutsche»-Artikel über Studienlage zu Weitergabe von Virus (22.2.2021): https://www.sueddeutsche.de/gesundheit/covid-19-immunitaet-impfung-1.5214467?reduced=true (Paywall)

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