Falschzitat
Neonazi-Zitat wird seit Jahren deutschem Autor unterstellt
16.1.2025, 17:18 (CET)
Hat er das wirklich gesagt? Dem deutschen Schriftsteller Theodor Körner wird seit längerem ein politisches Zitat unterstellt; darin soll er harsche Kritik an Machthabern geübt und ihnen mit einer Reaktion des Volkes gedroht haben. «Noch sitzt ihr da oben, ihr feigen Gestalten, vom Feinde bezahlt und dem Volke zum Spott. Doch einst wird wieder Gerechtigkeit walten, dann richtet das Volk und dann gnade Euch Gott!», heißt es etwa in einem Sharepic mit Körners Konterfei und Namen.
Bewertung
Das Zitat stammt in Wirklichkeit von einer Neonazi-Schriftstellerin. Dies belegt eine Recherche in deren veröffentlichten Werken.
Fakten
Das Gedicht lässt sich in der Bibliothek des Berliner Zentrums für Antisemitismusforschung finden. Die Deutsche Presse-Agentur hat es dort bereits im Jahr 2020 in der gesammelten Lyrik der rechtsextremen Schriftstellerin Renate Schütte aufgespürt und mit den viralen Zitaten abgeglichen. Die letzten vier Zeilen ihres Gedichtes «Anklage» in dem Sammelband «Der Wind schlägt um» lauten: «Heut sitzt ihr noch oben, ihr feigen Gestalten, vom Feinde gestützt und uns allen zum Spott. Doch einmal wird wieder Gerechtigkeit walten. Dann richtet das Vok, und dann gnade euch Gott!»(Fehler im Original).
Schütte verherrlichte in vielen ihrer Texte die NS-Zeit. Im Gedicht «Restdeutschland» nennt sie Hitler etwa einen «Mann, der nur den Frieden wollte». Der Herausgeber der Gedichtesammlung ist Thies Christophersen, der während des Zweiten Weltkrieges als SS-Sonderführer in der Nähe des Konzentrationslagers Auschwitz gedient hatte und nach dem Krieg zu einer Schlüsselfigur der Neonazi-Szene in Deutschland avancierte. Das Vorwort zur 3. Auflage von Schüttes Gedichten schrieb der mehrfach verurteilte Christophersen in der Justizvollzugsanstalt Neumünster.
Der deutsche Literaturwissenschaftler Erhard Jöst bestätigte auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur, dass Theodor Körner das Zitat nie geschrieben habe. Körners «vaterländischer Stil» werde hier zwar imitiert, man finde die Aussage aber «weder in seinen Gedichten noch in seinen Dramen noch in seinen Prosa-Texten.» Körner habe «den adligen Regenten seiner Zeit nie gedroht, im Gegenteil.»
In Österreich hat das Falschzitat schon Konsequenzen nach sich gezogen; der deutsche Schriftsteller Körner darf dabei natürlich nicht mit dem namensgleichen, ersten vom Volk gewählten Bundespräsidenten der Republik verwechselt werden. Ein ranghoher Bundesheer-Offizier wurde suspendiert, nachdem er im Jahr 2021 bei einem Video-Statement gegen die Corona-Maßnahmen ein T-Shirt mit dem gedruckten Spruch getragen hatte.
Auch ein Urteil des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich berichtet über die rechtsextreme Historie der Aussage. In dem dazugehörigen Prozess ging es um die Verbreitung von nationalsozialistischem Gedankengut, weil der Spruch auf einem Demo-Plakat gezeigt worden ist.
(Stand: 14.1.2025)
Links
Behauptung auf Facebook (archiviert)
Definition Neonazi in Deutschland (archiviert)
Google-Suche in den Werken Theodor Körners bei zeno.org
Bericht der Presse (archiviert)
Urteil des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich (archiviert)
Zitatforschung.de zur vermeintlichen Körner-Aussage (archiviert)
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