Vorrat übersteigt Verbrauch

Österreich darf mehr gespeichertes Gas nutzen

20.11.2024, 12:12 (CET)

Der Gas-Lieferstopp Russlands an den österreichischen Energiekonzern OMV löst bei vielen Menschen Unruhe aus. Ist die Gasversorgung tatsächlich bedroht?

Auf das Szenario hat sich die Bundesregierung schon lange vorbereitet, nun ist es eingetreten: Russland stoppt seine Gaslieferungen nach Österreich. Die Gas-Versorgung sei aber sichergestellt, die Speicher voll, versprechen Fachleute und Politiker. In Sozialen Medien verbreitet sich trotzdem der Artikel einer Plattform, in dem behauptet wird, dass nur ein Viertel des in Österreich eingelagerten Gases für die Alpenrepublik verfügbar sei, der Rest habe andere Besitzer und «darf nicht genutzt werden».

Bewertung 

Das ist falsch. Aus dem österreichischen Gasspeicher ist neben den 20 Terrawattstunden (TWh) Strategischer Gasreserve, dem staatlich kontrollierten Erdgas-Vorrat der Bundesregierung, mindestens ein Viertel für den österreichischen Markt vorgesehen. Der Rest, der im Besitz ausländischer Unternehmen ist, kann ebenfalls in Österreich oder auch anderswo verkauft werden. 

Fakten 

Das in Österreich gespeicherte Gas ist im Besitz vieler verschiedener Speicherkundinnen und –kunden – die Republik Österreich ist nur einer davon. Ein weiterer Teil wird ausdrücklich für Gasversorger und Industriekunden auf dem österreichischen Markt vorgehalten.

Dies bedeutet aber im Umkehrschluss nicht, dass die restlichen eingespeicherten Gasmengen von österreichischen Speicherkunden nicht für österreichische Endkundinnen und -kunden genutzt werden dürfen oder können, erklärt Carola Millgramm, Leiterin der Abteilung Gas der Energie-Regulierungsbehörde e-Control auf dpa-Anfrage.

Dezidiert nicht für österreichische Endkundinnen und –kunden bestimmt ist lediglich ein Anteil von 0,39 Prozent (0,37 TWh). Dieser ist im Besitz von nicht-österreichischen Endkunden.

Strategische Reserve + immunisierte Menge + geschützte Kunden

Einerseits gibt es die erwähnte Strategische Gasreserve, die kurz nach Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine beschlossen wurde und seit November 2022 existiert. Sie ist ein gezielt angelegter, staatlich kontrollierter Gasvorrat zur Sicherung der Energieversorgung in Österreich und macht 20 TWh (aktuell rund 21 Prozent) des heimischen Gasspeichers aus. 

Zusätzlich gibt es eine kleinere sogenannte immunisierte Menge (rund sechs Prozent, 5,52 TWh), auf die der Staat in absoluten Ausnahmeszenarien zugreifen darf, um Versorgungsengpässe insbesondere für Unternehmen zu überbrücken. Weitere rund acht Prozent (7,75 TWh) sind für «geschützte Kundinnen und Kunden» in Österreich vorgesehen. 

Etwa 17 Prozent (16,35 TWh) entfallen auf österreichische Speicherkundinnen und -kunden. Diese können theoretisch an ausländische Händler verkauft werden. Sie können aber auch auf dem österreichischen Markt verkauft werden, wenn der Preis dort höher ist, bestätigt Millgramm. Dies sei im Falle einer Lieferunterbrechung ab 1. Jänner 2025 wahrscheinlich.

Ausländische Speicherkunden können in Österreich verkaufen

Knapp die Hälfte (47,8 Prozent/45,31 TWh) des eingelagerten Gases gehört Unternehmen aus anderen Ländern, die sich vorab nicht festlegen, in welchem Land sie das eingelagerte Gas verkaufen. Sollte es tatsächlich zu einer Gasmangellage in Österreich kommen, wäre es schon aus wirtschaftlicher Sicht für diese Unternehmen sinnvoll, das Gas in Österreich zu verkaufen, da im Falle einer Verknappung gewöhnlich die Preise steigen und somit Gewinn zu erwarten ist. 

Eine Gasmangellage ist allerdings laut E-Control und Österreichischer Energieagentur auch nach der Lieferstopp-Ankündigung durch die russische Gazprom nicht zu erwarten. Die Gasspeicher in Österreich sind aktuell sehr voll, der Füllstand liegt bei 92 Prozent. Das entspricht rund 94 TWh und ist deutlich mehr als der Erdgasverbrauch im Vorjahr (75 TWh). Zudem liegt der Gasverbrauch derzeit rund 21 Prozent unter dem Durchschnitt der Jahre 2018 bis 2022. Auch seien die Importkapazitäten, vor allem aus Italien und Deutschland, ausgeweitet worden, was wiederum die Sicherheit erhöhe und die Preise entspanne, betont das Umwelt- und Energieministerium. 

(Stand: 19. November 2024)

Links 

Facebook-Posting (archiviert

Report24-Artikel (archiviert

Strategische Gasreserve (archiviert

Eigentumsverhältnisse in den Gasspeichern (archiviert

Nationalratsbeschluss zur Gasreserve (archiviert

Definition Immunisierte Menge (archiviert

Definition Geschützte Kundinnen und Kunden (archiviert

Information über Gasspeicherstände (archiviert

Erdgasverbrauch im Vorjahr (archiviert

Information zum verringerten Gasverbrauch (archiviert

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