Komplexe Berechnung

Ländervergleich zur Pensionshöhe unseriös

14.05.2024, 13:45 (CEST)

Das Thema Pensionen erhitzt die Gemüter. Manch eine oder einer mag sich bei der Höhe im Vergleich zu anderen Ländern schnell benachteiligt fühlen. Doch so einfach ist es nicht.

Die Deutschen arbeiten im Vergleich zu Italien und Frankreich am längsten, haben aber die geringsten Pensionen? In einer Grafik wird dargestellt, in Deutschland beginne der Ruhestand erst viel später als in den beiden anderen Ländern. Andererseits seien die Zahlungen im Vergleich zum letzten Gehalt viel geringer. 

Bewertung

Falsch. Die Pension ist kein Prozentsatz des letzten Gehalts. Die Berechnung der Pensionsbezüge ist in jedem Land sehr komplex und von vielen Faktoren abhängig. Daher sind internationale Vergleiche unüblich und unseriös. Auch die Zeiten für den Ruhestand in den auf dem Sharepic genannten Ländern sind falsch.

Fakten

Das Facebook-Posting behauptet, in Deutschland bekämen Menschen erst ab 67 Jahren Pension (Bezeichnung in Deutschland: Rente) - und damit viel später als etwa Pensionäre in Italien (60 Jahre) und Frankreich (62 Jahre). Dahingegen liege die Höhe in der Bundesrepublik bei nur 48,1 Prozent des letzten Nettogehalts, in Italien seien es 93,2 Prozent und in Frankreich 74,5 Prozent.

Was bedeuten die Prozentangaben?

Die für Deutschland angegebenen 48,1 Prozent bezeichnen das sogenannte Rentenniveau. Es bezieht sich aber nicht auf das letzte Gehalt vor dem Renteneintritt, worauf auch das deutsche Ministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) explizit auf seiner Website hinweist

Das Rentenniveau bezeichnet vielmehr, wie sich die modellhaft berechnete Standardrente im Zeitablauf im Verhältnis zu den Durchschnittslöhnen entwickelt. Bis zum Jahr 2025 darf das Rentenniveau 48 Prozent nicht unterschreiten.

Das BMAS betont auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa), dass internationale Vergleiche mit anderen Staaten «meist problematisch» seien. Generell ist die Berechnung der Bezüge in Deutschland, Italien und Frankreich sehr komplex und von vielen Faktoren abhängig.

Die Angabe der Höhe als Prozentsatz vom letzten Nettogehalt ist in keinem Land eine übliche Größe, weil meist das Durchschnittsgehalt eines bestimmten Zeitraums zur Berechnung der Höhe der Rente herangezogen wird – und nicht ein einziges «letztes Nettogehalt». 

Auch bezüglich des Pensionsalters weist das Posting Fehler auf. Tatsächlich liegt es in Deutschland seit einigen Jahren bei 67 Jahren, genauso wie in Italien. In Frankreich liegt das Alter, ab dem man ohne Abzüge in Pension gehen kann, bei 64 Jahren. 

Rentenniveau ist wichtige Kennzahl 

Das Rentenniveau, das im Gesetz als «Sicherheitsniveau vor Steuern» bezeichnet wird, zeigt, wie sich die Renten in Deutschland im Verhältnis zu den Löhnen entwickeln. Die Höhe ist damit eine Kennzahl für die Leistungsfähigkeit des Rentensystems insgesamt. Vereinfacht gesagt: Es gibt an, wie hoch die Altersbezüge eines deutschen Rentners, der 45 Jahre lang immer zum Durchschnittslohn gearbeitet hat, im Verhältnis zum aktuellen Durchschnittslohn ausfallen. 

Das Rentenniveau stellt nicht auf das letzte Gehalt vor dem Renteneintritt ab. Es dient demnach auch nicht dazu, Aussagen über individuell Ansprüche zu treffen. 

Sowohl das Eintrittsalter als auch die Höhe einer Pension können stark variieren: Beides ist etwa davon abhängig, wann man geboren wurde, wie viele Jahre in die gesetzliche Versicherung eingezahlt wurde, und ob man im öffentlichen Dienst oder im Privatsektor tätig war. Den Bezug in Prozent zum letzten Nettogehalt anzugeben, ist ungenau und daher auch unüblich.

Wann gehen die Menschen in Pension?

In Deutschland wird das Eintrittsalter seit 2012 schrittweise je nach Geburtenjahrgang von 65 auf 67 Jahre angehoben. Ab 2031 liegt es für alle nach 1963 Geborenen bei 67 Jahren. Ein frühzeitiger Ruhestand ist beispielsweise für «langjährige», «besonders langjährige» Versicherte oder für schwerbehinderte Menschen möglich. 

In Frankreich gilt für alle ab 1968 Geborenen ein Pensionsalter von 64 Jahren, für die vorherigen Jahrgänge gibt es eine stufenweise Anpassung. Bürger, die vor dem 1. September 1961 geboren sind, können tatsächlich mit genau 62 Jahren in Pension gehen. 

Um in Italien für die gesetzliche Pension anspruchsberechtigt zu sein, müssen eine Beitragszeit von mindestens 20 Jahren und das Eintrittsalter von 67 Jahren erreicht sein. Unter bestimmten Voraussetzungen ist es möglich, schon mit 64 Jahren in Pension zu gehen oder eine sogenannte Vorruhestandsbeihilfe zu beziehen.

Wie die Pensionen berechnet werden

In Deutschland geschieht die Berechnung anhand von sogenannten Entgelt- oder Rentenpunkten, die Rentenversicherte während ihres Berufslebens sammeln. Die Zahl der gesammelten Punkte im Zusammenhang mit mehreren weiteren Faktoren ergeben die Rentenhöhe. 

In Frankreich haben Angestellte im Privatsektor Anspruch auf eine volle Pension von 50 Prozent ihres durchschnittlichen Jahreseinkommens. Für die Berechnung wird der durchschnittliche Bruttolohn über mehr als 25 Jahre, in denen in die Versicherung eingezahlt wurde, herangezogen.

Auch in Italien hängt die Höhe von vielen Faktoren ab. Nach Angaben des Obersten Rechnungshofes bezog im Jahr 2020 ein Angestellter im Privatsektor nach 38 eingezahlten Beitragsjahren 71,7 Prozent des letzten Nettogehalts, also deutlich weniger als die im Posting angegebenen 93,2 Prozent. Künftig soll der Betrag noch weiter sinken und bis 2040 auf 59,4 Prozent fallen.  

(Stand: 14.05.2024)

Links

Facebook-Posting (archiviert

Infos zum Rentenniveau in Deutschland (archiviert

Infos der deutschen Regierung zur Rente (archiviert)

Gesetz zur Bestimmung der Rentenwerte (archiviert)

Deutsche Rentenversicherung über Rentenbeginn (archiviert)

Renteneintrittsalter Deutschland (archiviert

Renteneintrittsalter Frankreich (archiviert

Renteneintrittsalter Italien (archiviert

Rentenberechnung Frankreich (archiviert

Rentenberechnung Italien (archiviert)

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